Bundessozialgericht

Verhandlung B 11 AL 3/18 R

Verhandlungstermin 26.02.2019 12:00 Uhr

Terminvorschau

B. T. ./. Bundesagentur für Arbeit
Streitig ist ein Anspruch auf InsG vom 12.12.2014 bis 31.1.2015. Die Klägerin war seit August 2014 bei der CAP Ambra Verwaltungs GmbH (Arbeitgeberin) tätig. Nach zunächst vorläufiger Insolvenzverwaltung wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt (Beschlüsse vom 13.7.2015). Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin unter sofortiger unwiderruflicher Freistellung und Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalter mit Wirkung zum 31.1.2015. Die Klägerin beantragte InsG für ausstehende Lohnzahlungen im November/Dezember 2014 und Januar 2015. Nach vorschussweiser Bewilligung von InsG in Höhe von 1750 Euro bewilligte die Beklagte die Leistung nur für die Zeit vom 1.11.2014 bis 11.12.2014 iHv 1577,25 Euro, weil die Arbeitsverhältnisse durch Betriebsübergang am 12.12.2014 gemäß § 613a BGB auf die T & M Agrar Objekte GmbH übergegangen seien. Der überzahlte Betrag sei zu erstatten.

Das SG Mannheim hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin InsG auch für die Zeit vom 12.12.2014 bis 31.1.2015 zu erbringen. Es lasse sich nicht feststellen, dass der Betrieb der Arbeitgeberin mit ursprünglich mindestens 80 Arbeitnehmern und zahlreichen Filialen vollumfänglich von der T & M Agrar Objekte GmbH weitergeführt worden sei. Das LSG ist ebenfalls von einem Anspruch für den Zeitraum 12.12.2014 bis 31.1.2015 ausgegangen und hat die Beklagte verurteilt, weiteres Insg in Höhe von 1885,02 Euro unter Anrechnung des bereits geleisteten Vorschusses zu gewähren. Insolvenzereignis seien die Beschlüsse vom 13.7.2015. Anhaltspunkte für eine vollständige Betriebseinstellung vor dem 11.12.2014 lägen nicht vor. Auch eine von der Beklagten behauptete Zahlungsunfähigkeit der Arbeitgeberin schon bei Betriebsaufnahme stehe einem Anspruch auf InsG nicht entgegen. Hiervon könne nur bei einem Insolvenzereignis nach § 165 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III ausgegangen werden. Es könne auch nicht eingewandt werden, dass ein Dritter in die Pflichten der zahlungsunfähig gewordenen Arbeitgeberin eingetreten sei. Der Senat könne offen lassen, ob tatsächlich ein Betriebsübergang vorliege. Es widerspreche dem Zweck des InsG, wenn der Arbeitnehmer nach einer durch ein gesetzliches Insolvenzereignis eingetretenen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers auf das Ergebnis des Insolvenzverfahrens bzw die Geltendmachung von ausstehenden Arbeitsentgeltansprüchen gegen Dritte verwiesen werde. Die Beklagte müsse die Ansprüche auf Arbeitsentgelt für den InsG-Zeitraum im Wege des Anspruchsübergangs geltend machen.

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 165 Abs 1 SGB III, 166 Abs 1 Nr 1, 2. Alt SGB III, 169 Satz 1 SGB III sowie des § 613a Abs 2 Satz 1 BGB. Habe bei einem Betriebsübergang ein Arbeitgeberwechsel vor dem Insolvenzereignis stattgefunden, ende der InsG-Zeitraum mit der Betriebsübernahme. Das vom LSG zitierte Urteil des BSG vom 2.11.2000 (B 11 AL 23/00 R - SozR 3-4100 § 141b Nr 22) betreffe nur den Zeitraum einer gesamtschuldnerischen Haftung von Arbeitgeber und Betriebsübernehmer, also ausgefallenes Arbeitsentgelt für die Zeit vor einem Betriebsübergang. Der Anspruchsübergang könne nicht zu einer Ausdehnung des InsG-Zeitraums führen.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Mannheim - S 12 AL 2954/15, 20.04.2016
Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 8 AL 1845/16, 20.10.2017

Terminbericht

Die zulässige Revision der Beklagten hatte im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung Erfolg, soweit das LSG die Entscheidung des SG bestätigt hat. Auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen lässt sich nicht beurteilen, ob die Klägerin für den streitigen Zeitraum vom 12. Dezember 2014 bis 31. Januar 2015 Insolvenzgeld (InsG) beanspruchen kann. Insbesondere kann nicht dahingestellt bleiben, ob und zu welchem Zeitpunkt ein Betriebsübergang stattgefunden hat. Ein Ausgleich des rückständigen Arbeitsentgelts durch InsG erfolgt nur für solche Ansprüche, die in den Insolvenzgeldzeitraum fallen. Dieser umfasst die letzten drei Monaten des Arbeitsverhältnisses mit dem konkreten insolventen Arbeitgeber vor Eintritt des Insolvenzereignisses. Bei einem Betriebsübergang vor dem Insolvenzereignis endet der Insolvenzgeldzeitraum trotz fortbestehendem Arbeitsverhältnis mit der Betriebsübernahme. Dies folgt aus § 613a BGB. Mit dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs ist der Betriebserwerber der neue Arbeitgeber. Zwar bestimmt § 613a Abs 2 BGB, dass der bisherige Arbeitgeber neben dem neuen Inhaber als Gesamtschuldner für Verpflichtungen nach § 613a Abs 1 BGB haftet, soweit diese vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden. Für die vor dem möglichen Betriebsübergang entstandenen Arbeitsentgeltansprüche hat die Beklagte jedoch InsG erbracht. Im Falle eines Betriebsübergangs verbleiben die Arbeitsverhältnisse nur dann bei dem Betriebsveräußerer, wenn die betroffenen Arbeitnehmer dem Betriebsübergang widersprechen. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Soweit in der bisherigen Rechtsprechung des BSG betont worden ist, dass der Anspruch auf InsG nicht oder erst entsteht, wenn auch der Dritte zahlungsunfähig geworden ist, betraf dies abweichende Sachverhaltskonstellationen, in denen arbeitsrechtliche Ansprüche sowohl gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber als auch einem Dritten bestanden.

Im weiteren Verfahren ist bei der Prüfung, ob der Betrieb der ehemaligen Arbeitgeberin der Klägerin auf einen neuen Arbeitgeber übergegangen ist, von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auszugehen. Allerdings ist das Gericht nur zu solchen Ermittlungen verpflichtet, die der Sachverhalt und der Vortrag der Beteiligten nahe legen. Zu Ermittlungen ohne konkrete Anhaltspunkte "aufs Geratewohl" besteht auch unter verfassungsrechtlichen Erwägungen keine Verpflichtung. Lässt sich nicht feststellen, dass ein Betriebsübergang stattgefunden hat, trägt die Beklagte hierfür die objektive Beweislast (Feststellungslast).

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