Bundessozialgericht

Verhandlung B 3 KR 15/17 R - ohne mündliche Verhandlung

Verhandlungstermin 28.03.2019 00:00 Uhr

Terminvorschau

B. ./. BKK VerbundPlus
Der als Bäckermeister hauptberuflich selbstständig erwerbstätige Kläger ist seit Februar 2014 bei der beklagten Krankenkasse freiwillig versichert. In einer Wahlerklärung zum Anspruch auf Krg erklärte er, dass die Mitgliedschaft den Anspruch auf Krg ab der siebten Woche der AU umfassen solle. Er reichte bei der Beklagten ärztliche AU-Bescheinigungen mit diagnostizierten Brust- bzw Lungenbeschwerden für folgende Zeiträume ein: 13.4. - 14.4.2014 (2 Tage), 18.4. - 7.5.2014 (20 Tage), 4.7. - 1.8.2014 (29 Tage), 4.8. - 25.8.2014 (22 Tage) und 10.11.2014 - 2.1.2015 (54 Tage). Die Beklagte wies ihn darauf hin, dass Krg-Ansprüche erst ab der siebten AU-Woche entstünden und dass eine Addition der einzelnen AU-Tage nicht erfolge, sodass nur die zuletzt bestehende, mehr als sechswöchige AU Krg-Ansprüche vom 22.12.2014 bis 2.1.2015 in Höhe von 34,76 Euro kalendertäglich auslöse. Das dagegen angerufene SG hat die Klage abgewiesen, weil der Wortlaut des § 46 S 2 SGB V aF erkennen lasse, dass eine einzige sechswöchige AU-Zeit erforderlich sei. Im Berufungsverfahren ist der Kläger erfolgreich gewesen. Das LSG hat die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide und des SG-Urteils verurteilt, ihm Krg in der genannten Höhe auch für die Zeiträume 24.7. - 1.8., 4.8. - 25.8.2014 und 10.11. - 21.12.2014 zu gewähren: Bei dem Kläger habe in den genannten Zeiträumen ärztlich feststellte AU bestanden, die auf derselben Krankheit (= Erkrankung der Lunge) beruht habe. Obwohl § 46 S 2 SGB V aF das Entstehen des Krg-Anspruchs für freiwillig Versicherte nach Abgabe einer entsprechenden Wahlerklärung um sechs Wochen vom Beginn der AU an aufschiebe, sei dem Regelungszusammenhang der Norm nicht zu entnehmen, dass der Anspruch erst nach einer "ununterbrochenen" sechswöchigen AU-Dauer entstehe. Unter Heranziehung der anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung folge aus § 46 S 2 SGB V aF vielmehr das Gegenteil. Die sechs Wochen, für die hier trotz vorliegender AU kein Krg gewährt werde, seien nach demselben Maßstab zu errechnen wie bei Arbeitnehmern nach § 3 Abs 1 S 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG). Für diesen Personenkreis werde die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall "bis zur Dauer von sechs Wochen" arbeitsrechtlich allgemein so verstanden, dass die einzelnen AU-Zeiten addiert würden, bis die Anspruchszeit von 42 Kalendertagen (= 6 Wochen x 7 Tage) verbraucht sei. Entsprechendes müsse bei § 46 S 2 SGB V gelten. Daneben folge dies auch aus § 48 SGB V, wonach die 78 Wochen-Krg-Höchstdauer innerhalb von drei Jahren bei Vorliegen derselben Krankheit nur in der Summe 576 Tage (78 Wochen x 7 Tage) ergeben müssten.

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts (§ 44 Abs 1 S 1 und § 46 S 1 und S 2 SGB V in der bis 22.7.2015 geltenden Fassung - aF): Die vom LSG für die Auslegung gebildete Analogie zu § 3 Abs 1 S 1 EntgFG sei unzutreffend. Während der Wortlaut des § 46 S 2 aF SGB V das Entstehen eines Anspruchs von einem bestimmten Zeitpunkt an im Sinne einer Karenzzeit bzw Wartezeit regele, betreffe § 3 Abs 1 S 1 EntgFG die Höchstanspruchsdauer arbeitsrechtlich geschuldeter Leistungen. Die Leistungsbegrenzung beim Krg sei der besonderen Einkommenssituation Selbstständiger und der Missbrauchsvermeidung geschuldet. Das LSG zeige auch nicht hinreichend auf, dass sich die sechswöchige AU-Dauer "faktisch-normativ" aus § 3 Abs 1 S 1 EntgFG iVm § 49 Abs 1 Nr 1 SGB V ergebe. Die Übernahme dieses Maßstabs sei systemwidrig. Die Argumentation des LSG führe sogar zu einer Besserstellung hauptberuflich selbstständig Erwerbstätiger gegenüber Beschäftigten.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Ulm - S 10 KR 3225/15, 02.03.2016
Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 11 KR 1321/16, 25.04.2017

Terminbericht

Der hauptberuflich selbstständig erwerbstätige, bei der beklagten Krankenkasse freiwillig versicherte Kläger hatte in einer Wahlerklärung angegeben, dass seine Versicherung Krankengeld-(Krg-)Ansprüche erst ab der 7. Woche der Arbeitsunfähigkeit (AU) umfassen solle. Im Jahr 2014 reichte er bei der Beklagten AU-Bescheinigungen mit diagnostizierten Lungenbeschwerden für mehrere Zeiträume ein (April: 2 Tage, April/Mai: 20 Tage, Juli/August: 29 Tage sowie gesondert 22 Tage, ab 10.11.2014: 54 Tage). Während die Beklagte und das SG eine Addition der einzelnen AU-Tage ablehnten und Krg erst ab der 7. Woche der letzten AU-Zeit bewilligten, war der Kläger im Berufungsverfahren erfolgreich. Das LSG hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger Krg auch für AU-Tage ab dem 43. attestierten Tag der AU (dh ab der 7. Woche = 24.7.2014) zu gewähren; insoweit habe jeweils ärztlich festgestellte, auf derselben Krankheit beruhende AU bestanden. Der insoweit einschlägige § 46 Satz 2 SGB V verlange keine "ununterbrochene" 6-wöchige AU.

Die Revision der Beklagten ist erfolglos geblieben. Der 3. Senat des BSG hat bestätigt, dass Wortlaut, Regelungssystematik, Gesetzesmaterialien sowie Sinn und Zweck der genannten Bestimmung den Urteilsausspruch des LSG stützen. Bei freiwillig versicherten Selbstständigen wie dem Kläger, bei denen entsprechend ihrer Wahlerklärung der Anspruch auf Krg erst von der 7. Woche der AU an entsteht, setzt der Anspruch jedenfalls dann keine zuvor bestehende "ununterbrochene" 6-wöchige AU-Dauer voraus, wenn die einzelnen AU-Zeiten auf derselben Krankheit beruhen.

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Wir verwenden ausschließlich Sitzungs-Cookies, die für die einwandfreie Funktion unserer Webseite erforderlich sind. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir diese Cookies einsetzen. Unsere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den Link Datenschutz.

OK