Bundessozialgericht

Verhandlung B 11 AL 10/18 R

Verhandlungstermin 07.05.2019 11:00 Uhr

Terminvorschau

K. B. ./. Bundesagentur für Arbeit
Streitig ist die Höhe des Alg vom 1.10.2009 bis 31.12.2009 unter Berücksichtigung eines Einkommens aus selbständiger Tätigkeit sowie eine Erstattungsforderung der Beklagten.

Der Kläger ist seit August 1995 Inhaber bzw Geschäftsführer einer Firma, für die er nach eigenen Angaben wöchentlich ca 10 Stunden tätig ist. Über diese Firma werden auch Goldschmiedearbeiten seiner Ehefrau vertrieben. Nach Beendigung einer abhängigen Beschäftigung des Klägers vom 1.6.2007 bis 30.9.2009 bewilligte die Beklagte ab 1.10.2009 vorläufig Alg ohne Einkommensanrechnung in Höhe von 67,71 Euro täglich. Nach Vorlage der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2008/2009 berücksichtigte die Beklagte das Nebeneinkommen aus selbständiger Tätigkeit ausgehend von den in den Steuerbescheiden ausgewiesenen Einkünften aus Gewerbetrieb und bewilligte Alg vom 1.10.2009 bis 31.12.2009 in Höhe von 55,62 Euro. Weiter forderte sie die Erstattung von 1088,10 Euro.

Das SG hat die Klage abgewiesen. Nach Vorlage weiterer Unterlagen im Berufungsverfahren (betriebswirtschaftliche Auswertungen, Rechnungen) durch den Kläger hat das LSG die Berufung zurückgewiesen. Das anrechenbare Nebeneinkommen aus der selbständigen Tätigkeit sei dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 anteilig zu entnehmen. Eine exakte Bestimmung des vom 1.10.2009 bis 31.12.2009 erarbeiteten Einkommens sei nicht möglich. Fraglich sei bereits, wann ein solches Erarbeiten beginne (Einrichtung des Büros, erster Kundenkontakt, Vertragsschluss, Rechnungsstellung). Auch bei der Ermittlung des Freibetrags nach § 141 Abs 2 SGB III aF sei die Beklagte zu Recht von den Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2008/2009 ausgegangen. Wegen der unzutreffenden Einbeziehung eines weiteren Freibetrags nach § 141 Abs 1 SGB III habe sie zu Gunsten des Klägers ein zu geringes monatliches Nebeneinkommen berücksichtigt. Auch die Erstattungsforderung sei rechtmäßig ergangen.

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 141 Abs 1 Satz 1 SGB III aF. Es komme ausschließlich darauf an, welches Arbeitseinkommen während des Bezugs von Alg erarbeitet worden sei. Dies könne er für den Zeitraum vom 1.10.2009 bis 31.12.2009 taggenau nachweisen. Es verbleibe kein anrechenbares Nebeneinkommen.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Dortmund - S 5 AL 664/12, 18.08.2015
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 20 AL 211/15, 07.05.2018

Terminbericht

Die zulässige Revision des Klägers war im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet. Die für das Arbeitsförderungsrecht zuständigen Senate des BSG haben bereits entschieden, dass eine Anrechnung von Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen nur dann erfolgen kann, wenn dieses während des Leistungsbezugs "erarbeitet" worden ist. Das Arbeitseinkommen kann zu einem späteren Zeitpunkt zufließen. An dem Grundsatz, dass eine Anrechnung von Arbeitsentgelt bzw Arbeitseinkommen grundsätzlich nur dann erfolgen kann, wenn dieses tatsächlich einem Alg-Leistungsmonat zuordenbar ist, hält der Senat fest. Selbstständige Tätigkeiten können nur dann Anknüpfungspunkt für die Anrechnung erzielten Einkommens in einem bestimmten Alg-Bezugsmonat sein, wenn sie bei wertender Betrachtung von Bedeutung für die Einkommenserzielung waren. Handlungen, welche die Aufrechterhaltung einer fortlaufenden selbstständigen Tätigkeit im Allgemeinen betreffen, wie zB das vom Berufungsgericht angesprochene Anmieten oder Einrichten von Geschäftsräumen, sind einem konkret erarbeiteten Einkommen nicht zuzuordnen. Das Berufungsgericht ist daher von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab zur Ermittlung des anrechenbaren Nebeneinkommens nach § 141 SGB III aF ausgegangen.

Im Übrigen wird das LSG zu berücksichtigen haben, dass nicht sämtliche steuerlich relevanten Einnahmen und Ausgaben berücksichtigt werden können. Unter Berücksichtigung des Merkmals des persönlichen Einsatzes erhöhen etwa aufgelöste Ansparrücklagen weder das berücksichtigungsfähige Einkommen noch führen sie zu einem erhöhten Freibetrag. Gleichfalls dürfte es sich bei den Einnahmen aus Goldschmiedearbeiten der Ehefrau des Klägers nicht um bei ihm zu berücksichtigendes Nebeneinkommen handeln. Nur wenn das Tatsachengericht auch nach Aufklärung der Inhalte und des Umfangs der selbstständigen Tätigkeit zu dem Ergebnis kommen sollte, dass sich keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine konkrete zeitliche Zuordnung des durch persönlichen Einsatz erzielten Einkommens zu selbstständigen Tätigkeiten in einzelnen Monaten des Alg-Bezugs ergeben, rechtfertigt dies ggf eine Durchschnittsberechnung des anrechenbaren Einkommens unter Berücksichtigung der dem Einkommenssteuerbescheid zugrunde gelegten Betriebseinnahmen, wie sie sich aus den Unterlagen zur Einkommenssteuererklärung ergeben.

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