Bundessozialgericht

Verhandlung B 14 AS 6/18 R

Verhandlungstermin 08.05.2019 12:00 Uhr

Terminvorschau

L.V.B. ./. Jobcenter Landkreis Celle
Umstritten ist die Übernahme von Kosten für Schulbücher.

Die Klägerin bezog mit ihrer Familie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und auch das Schulpaket nach § 28 Abs 3 SGB II. Ab dem Schuljahr 2016/2017 besuchte sie die 11. Klasse eines Gymnasiums und beantragte beim beklagten Jobcenter unter Hinweis auf eine Aufstellung der Schule ua circa 180 Euro für Schulbücher, die sie selbst kaufen müsse. Der Beklagte lehnte den Antrag ab, weil zB der Betrag habe angespart werden können oder der Erwerb gebrauchter Bücher zumutbar sei.

Das SG hat die Klage abgewiesen. Das LSG hat den Beklagten verurteilt, der Klägerin circa 135 Euro für Schulbücher zu zahlen. Zwar seien Schulbücher vom Regelbedarf umfasst, die mangels Lernmittelfreiheit in Niedersachsen anfallenden Kosten decke dieser jedoch nicht ab. Die so entstehende evidente Bedarfsunterdeckung sei wegen der gebotenen verfassungskonformen Auslegung des SGB II durch eine analoge Anwendung des Härtefall-Mehrbedarfs nach § 21 Abs 6 SGB II zu beheben.

Mit seiner Revision rügt der Beklagte insbesondere eine Verletzung von § 21 Abs 6 SGB II. Dessen Voraussetzungen lägen nicht vor und eine analoge Anwendung scheide mangels planwidriger Regelungslücke aus. Vorrang habe vielmehr ein Darlehen nach § 24 Abs 1 SGB II.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Lüneburg - S 25 AS 945/16, 18.04.2017
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen - L 11 AS 349/17, 11.12.2017

Terminbericht

Auf die Revision des beklagten Jobcenters ist das Urteil des LSG, soweit es der Klage stattgegeben hat, aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen worden, weil dessen Feststellungen zur Entscheidung über die Höhe des Anspruchs der Klägerin nicht ausreichen.

Entgegen der Revision hat das LSG jedoch zu Recht der Klägerin dem Grunde nach einen Anspruch auf Übernahme der strittigen Kosten für Schulbücher zugesprochen.

Rechtsgrundlage hierfür ist der Härtefall-Mehrbedarf nach § 21 Abs 6 SGB II. Der in den Regelbedarf eingeflossene Betrag für Schulbücher ist strukturell zu niedrig für Schüler, die mangels Lernmittelfreiheit in ihrem Bundesland ihre Schulbücher selbst kaufen müssen. Denn dem Regelbedarf liegt die bundesweite Einkommens- und Verbrauchsstichprobe zugrunde und in der Mehrzahl der Bundesländer gilt Lernmittelfreiheit.

Der aufgrund des Urteils des BVerfG vom 9.2.2010 eingeführte Härtefall-Mehrbedarf soll solchen Sondersituationen, in denen ein höherer, überdurchschnittlicher Bedarf auftritt, und sich der Regelbedarf als unzureichend erweist, Rechnung tragen (BVerfG von 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 = NJW 2010, 505 Rn 208). Fehlt es aufgrund der Berechnung des Regelbedarfs an einer Deckung existenzsichernder Bedarfe, sind die einschlägigen Regelungen über gesondert neben dem Regelbedarf zu erbringende Leistungen verfassungskonform auszulegen (BVerfG vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 – BVerfGE 137, 34 = NJW 2014, 3425, RdNr 116 ff).

Aus der Kultushoheit der Länder folgt nichts anderes. Der Bundesgesetzgeber hat durch das SGB II von seiner Gesetzgebungskompetenz nach Art 74 Abs 1 Nr 7 GG abschließend Gebrauch gemacht und trägt dementsprechend die Verantwortung für die Sicherstellung des gesamten menschenwürdigen Existenzminimums, wozu auch die anzuschaffenden Schulbücher gehören (BVerfG vom 9.2.2010, aaO, RdNr 181 f). Mögliche Konflikte zwischen Bund und Ländern hinsichtlich der Finanzierung der Schulbildung von Schülern, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II erhalten, dürfen nach diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht auf dem Rücken der Schüler ausgetragen werden.

Ein Darlehen nach § 24 Abs 1 SGB II scheidet aus, weil dieses einen vom Regelbedarf zutreffend erfassten Bedarf voraussetzt, was bei einer strukturell zu niedrigen Bedarfsbemessung gerade nicht der Fall ist.

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