Bundessozialgericht

Verhandlung B 14 AS 15/18 R

Verhandlungstermin 08.05.2019 11:00 Uhr

Terminvorschau

J.H., J.H.. ./. Jobcenter Hamburg
Umstritten ist die Berücksichtigung einer Erbschaft als Einkommen.

Die Klägerin ist die alleinerziehende Mutter des am 26.10.2007 geborenen Klägers. Nach dessen Geburt bezogen sie zunächst ua Elterngeld und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bis Oktober 2009. In dieser Zeit starb der Großvater der Klägerin und sie wurde Miterbin eines Grundstücks. Ab dem 26.10.2009 bis zum 24.10.2010 bezog die Klägerin Alg nach dem SGB III und zeitweise Wohngeld, für den Kläger wurden Kindergeld und Unterhalt gezahlt. Ab November 2010 erhielten sie wieder Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.

Nachdem die Klägerin in ihrem Weiterbewilligungsantrag für die Zeit ab Februar 2012 angegeben hatte, das Grundstück sei verkauft worden, die Kaufpreiszahlung stehe jedoch noch aus, lehnte das beklagte Jobcenter den Antrag ab. Die am 2.2.2012 zugeflossenen 5 330 Euro aus der Erbschaft seien als einmalige Einnahme zu berücksichtigen und schlössen zusammen mit den anderen Einkommen eine Hilfebedürftigkeit der Kläger aus.

Das SG hat die Klagen abgewiesen. Das LSG hat den Beklagten verurteilt, den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Berücksichtigung der 5 330 Euro zu zahlen. Die Erbschaft sei als Vermögen anzusehen, weil der Erbfall vor Beginn des laufenden Leistungsfalls eingetreten sei. Der Vermögensfreibetrag werde nicht überschritten.

Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine Verletzung von § 11 Abs 3 SGB II. Zum Zeitpunkt des Erbfalls habe die Klägerin Leistungen nach dem SGB II bezogen, und zwischenzeitlich sei keine Überwindung der Hilfebedürftigkeit durch die Erzielung von Erwerbseinkommen eingetreten.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Hamburg - S 50 AS 1131/12, 16.05.2017
Landessozialgericht Hamburg - L 4 AS 194/17, 22.02.2018

Terminbericht

Die Revision des beklagten Jobcenters ist zurückgewiesen worden, weil die Kläger für die strittige Zeit Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Berücksichtigung der 5.330 Euro aus dem Erbe haben.

Nach der modifizierten Zuflusstheorie ist als Einkommen grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und als Vermögen, was er vor Antragstellung bereits hatte, zu berücksichtigen, wobei vom tatsächlichen Zufluss auszugehen ist, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt. Ein solcher rechtlich maßgeblicher Zufluss liegt beim Erbfall vor, weil nach § 1922 Abs 1 BGB mit dem Tod einer Person deren Vermögen als Ganzes auf die Erben übergeht. Wenn das Erbe nicht sofort als bereites Mittel zur Verfügung steht, ist es zunächst nicht als Einkommen zu berücksichtigen, sondern erst mit dem Zufluss (vgl nur BSG vom 25.1.2012 - B 14 AS 101/11 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 47).

Vorliegend war der Erbfall am 25.6.2009 eingetreten, also während des ersten Bezugs von Leistungen nach dem SGB II durch die Kläger, und der Zufluss des Geldes aus dem Erbe erfolgte am 2.2.2012, also während des zweiten Bezugs von Leistungen nach dem SGB II durch die Kläger. Entgegen der Ansicht des Beklagten kann nicht von einem einheitlichen Leistungsfall ausgegangen werden, weil der Leistungsbezug zwischenzeitlich beendet war. Vielmehr war das Erbe zum Zeitpunkt des Antrags, der zum zweiten Leistungsbezug führte, als schon vorhandenes Vermögen anzusehen.

Ein normativer Anknüpfungspunkt für die vom Beklagten vertretene Differenzierung zwischen verschiedenen Gründen, insbesondere unterschiedlichen Einkommensarten, für die Beendigung des (ersten) Leistungsbezugs, der sich auf die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen auswirken könnte, ist nicht zu erkennen.

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