Verhandlung B 6 KA 1/18 R
Verhandlungstermin
26.06.2019 11:30 Uhr
Terminvorschau
Dr. B. ./. KÄV Berlin
Die Klägerin begehrt aufgrund von Praxisbesonderheiten die Berücksichtigung eines höheren RLV bei der Ermittlung ihres Honoraranspruchs für die Quartale 2/2009 bis 4/2009. Das Quartal 1/2009, in dem die Klägerin vor dem LSG Erfolg hatte, weil es nach Auffassung dieses Gerichts an einer Rechtsgrundlage für die Anerkennung von Praxisbesonderheiten gefehlt habe, ist nicht mehr Verfahrensgegenstand, weil die beklagte KÄV keine Revision eingelegt hat.
Die Klägerin ist als Fachärztin für Orthopädie zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und führt die Schwerpunktbezeichnung Rheumatologie sowie die Zusatzbezeichnungen "Chirotherapie", "Rehabilitationswesen" und "Spezielle Schmerztherapie". Ihren Antrag auf Erhöhung ihres RLV für die Quartale 1/2009 bis 4/2009 wegen der Versorgung von Patienten mit Rheuma- und Osteoporoseerkrankungen sowie mit chronischen Schmerzen lehnte die beklagte KÄV ab.
Klage und Berufung hinsichtlich der Quartale 2/2009 bis 4/2009 sind ohne Erfolg geblieben. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Anerkennung von Praxisbesonderheiten. Die Voraussetzungen des § 5 Abs 9 Anlage 1 zum Honorarverteilungsvertrag (HVV)- ein besonderer Versorgungsauftrag bzw eine besondere für die Versorgung bedeutsame Spezialisierung - lägen nicht vor. Zwar seien die Bereiche Schmerztherapie und Chirotherapie als fachübergreifende Leistungen einer Anerkennung als Praxisbesonderheit zugänglich. Die Praxis der Klägerin zeichne sich aber dadurch aus, dass sie in unterschiedlichen Bereichen einige Leistungen häufiger abrechne als der Fachgruppendurchschnitt, jedoch keiner dieser Bereiche für sich genommen einen signifikanten Anteil am gesamten Leistungsgeschehen ausmache. Eine Summierung aller Leistungsbereiche (Rheuma-, Osteoporose- und Patienten mit chronischen Schmerzen) scheide aus.
Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, dass die Gesamtvertragspartner Regelungen zur Anerkennung der Praxisbesonderheiten getroffen und dabei bewusst darauf verzichtet hätten, im HVV festzulegen, welchen Anteil die als Praxisbesonderheit anzuerkennenden Leistungen am abgerechneten Gesamtleistungsvolumen mindestens erreichen müssten. Dieses "Schweigen" der Gesamtvertragspartner bilde eine negative Wortlautgrenze. Die als Einheit zu bewertende Erbringung von rheumatologischen, chirotherapeutischen und schmerztherapeutischen Leistungen stehe in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Betreuung von Rheuma-, Osteoporose- und Schmerzpatienten, die sie aufgrund ihrer Spezialisierung überdurchschnittlich häufig in ihrer Praxis behandele.
Vorinstanzen:
Sozialgericht Berlin - S 79 KA 247/11, 29.01.2014
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 7 KA 18/14, 18.10.2017
Terminbericht
Die Revision der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass die Klägerin in den streitbefangenen Quartalen 2/2009 bis 4/2009 keinen Anspruch auf Anerkennung von Praxisbesonderheiten bei der Festsetzung des RLV hat. Die Voraussetzungen, die der im Bezirk der beklagten KÄV geltende Honorarverteilungsvertrag (HVV) insoweit aufstellt, liegen nicht vor. Insbesondere erfüllt die Praxis der Klägerin keinen "besonderen Versorgungsauftrag" und weist keine "für die Versorgung bedeutsame Spezialisierung" auf. Ohne ein solches besonderes Versorgungsangebot ist eine Überschreitung des durchschnittlichen RLV-Fallwertes von mehr als 15 %, die bei der Klägerin besteht, kein hinreichender Grund für die Anerkennung einer Praxisbesonderheit. Die Praxis der Klägerin zeichnet sich dadurch aus, dass sie in unterschiedlichen Bereichen einige Leistungen häufiger abrechnet als der Fachgruppendurchschnitt der Orthopäden, doch lässt sich daraus kein spezifischer Versorgungsschwerpunkt ableiten. Die Rheumatologie gehört zu den typischen Aufgaben einer orthopädischen Praxis; nichts anderes gilt im Ergebnis auch für die Schmerztherapie. Entgegen der Auffassung der Klägerin können die Leistungen, die auf die von ihr benannten Schwerpunkte - Rheumatologie, Schmerztherapie und Chirotherapie - entfallen, auch nicht zusammengerechnet werden, um aus der Summierung einen besonderen Praxisschwerpunkt abzuleiten. Anlass für die Anerkennung von Praxisbesonderheiten besteht immer dann, wenn eine Praxis eine untypische Ausrichtung aufweist, wie das der Senat etwa für eine ausschließlich proktologisch tätige Praxis von Chirurgen angenommen hat. Eine auch nur annähernd vergleichbar gravierende Abweichung von der typischen orthopädischen Praxis liegt bei der Klägerin nicht vor.