Bundessozialgericht

Verhandlung B 11 AL 17/18 R

Verhandlungstermin 27.06.2019 12:00 Uhr

Terminvorschau

T. H. ./. Bundesagentur für Arbeit
Im Streit ist nur noch die Aufhebung der Bewilligung von Alg wegen einer zweiten Sperrzeit bei Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme, soweit diese für einen Zeitraum von mehr als drei Wochen erfolgt ist. Der Kläger bezog ab 15.12.2015 Alg. Die Beklagte bot ihm die Teilnahme an einer Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung an, die am 17.8.2016 beginnen sollte. Das Angebot enthielt die Rechtsfolgenbelehrung, dass eine Sperrzeit eintrete, wenn die Teilnahme an der Maßnahme ohne wichtigen Grund abgelehnt werde. Die Sperrzeit dauere im Falle des erstmaligen versicherungswidrigen Verhaltens drei Wochen, im Falle des zweiten versicherungswidrigen Verhaltens sechs Wochen. Der Kläger trat die Maßnahme nicht an, worauf die Beklagte ihm erneut eine solche Maßnahme anbot, die zum 19.10.2016 beginnen sollte. Dieses Angebot enthielt die gleiche Rechtsfolgenbelehrung wie das erste und auch diese Maßnahme trat der Kläger nicht an.

Die Beklagte hob die Entscheidung über die Bewilligung von Alg wegen des Eintritts einer dreiwöchigen Sperrzeit vom 18.8.2016 bis 7.9.2016 auf. Mit Bescheid vom gleichen Tage hob sie zudem mit Rücksicht auf die Nichtteilnahme des Klägers an der nächsten angebotenen Maßnahme die Bewilligung von Alg wegen des Eintritts einer weiteren, sechswöchigen Sperrzeit vom 20.10.2016 bis 30.11.2016 auf. Diese Sperrzeit dauere sechs Wochen, weil es sich um das zweite versicherungswidrige Verhalten gehandelt habe. Widerspruch, Klage und Berufung blieben erfolglos. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ua ausgeführt, auch die Dauer der zweiten Sperrzeit sei zutreffend mit sechs Wochen festgesetzt worden, denn nach dem Wortlaut des § 159 Abs 4 Satz 1 SGB III sei die vorherige Feststellung einer ersten Sperrzeit durch Bescheid nicht erforderlich.

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision, die sich nur noch gegen Aufhebung der Leistungsbewilligung wegen der über drei Wochen hinausgehenden Dauer der zweiten Sperrzeit richtet, macht der Kläger eine Verletzung von § 159 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III geltend. Das LSG habe Sinn und Zweck der Norm verkannt. Ohne eine vorherige Entscheidung über den früheren Sperrzeitsachverhalt könne der Arbeitslose nicht wissen, welche Folgen sein weiteres Verhalten habe.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Hamburg - S 14 AL 16/17, 30.08.2017
Landessozialgericht Hamburg - L 2 AL 51/17, 29.08.2018

Terminbericht

Die Revision des Klägers war erfolgreich. Die Nichtteilnahme des Klägers an der am 19.11.2016 beginnenden Maßnahme führt zu keiner Sperrzeit von mehr als drei Wochen und rechtfertigt damit auch keine darüber hinausgehende Aufhebung der Leistungsbewilligung. Rechtsgrundlage der Aufhebungsentscheidung ist § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X iVm § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III. Diese setzt eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen voraus, die bezogen auf den nur noch streitbefangenen Zeitraum vom 10.11.2016 bis 30.11.2016 nicht vorliegt. Das Verhalten des Klägers rechtfertigt schon deshalb keine sechswöchige (zweite) Sperrzeit ab dem 20.10.2016, und in der Folge das Ruhen des Anspruchs auf Alg für mehr als drei Wochen, weil zuvor kein Bescheid über eine vorausgegangene Sperrzeit ergangen ist. Eine zweite Sperrzeit setzt dies voraus. Eine solche Auslegung des § 159 Abs 4 SGB III folgt aus der systematischen Regelungsstruktur der Sperrzeitvorschriften und den Grundsätzen zu deren verfahrensrechtlicher Umsetzung. Denn einerseits tritt eine Sperrzeit kraft Gesetzes ein, setzt also keinen konstitutiven Bescheid voraus. Andererseits bedarf es aber - schon aus Gründen der Rechtssicherheit und weil Gesetze sich in der Regel nicht selbst vollziehen - immer dann einer Umsetzung der Sperrzeitfolgen durch Verwaltungsakt im konkreten Einzelfall, wenn besondere Rechtsfolgen an den Eintritt der Sperrzeit geknüpft sind. Insbesondere gilt dies, wenn - wie auch hier - eine bindende Leistungsbewilligung vorliegt, die bei Eintritt einer Sperrzeit schon wegen § 39 Abs 2 SGB X unter Beachtung der verfahrensrechtlichen Gewährleistungen zurückgenommen oder aufgehoben werden muss. Mit dieser Auslegung des § 159 Abs 4 SGB III steht auch in systematischer Hinsicht § 161 Abs 1 Nr 2 SGB III im Einklang. § 161 Abs 1 Nr 2 SGB III verlangt für die Rechtsfolge des Erlöschens eines Alg-Anspruchs wegen Sperrzeiten von einer bestimmten Gesamtdauer, dass der Arbeitslose durch schriftlichen Bescheid auf die Rechtsfolgen des Eintritts vorhergehender Sperrzeiten hingewiesen wurde.

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