Bundessozialgericht

Verhandlung B 14 AS 50/18 R

Verhandlungstermin 29.08.2019 11:30 Uhr

Terminvorschau

D. F., B. F. ./. Jobcenter Bottrop
Umstritten ist ein Ersatzanspruch nach § 34 SGB II wegen sozialwidrigen Verhaltens.

Die Kläger - ein Ehepaar - lebten mit ihren zwei Kindern zunächst in Polen. Nach Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit der Klägerin und der Kinder kündigten die Eheleute ihre Arbeitsverhältnisse in Polen und zog die Familie nach Deutschland. Das beklagte Jobcenter bewilligte ihnen ab Oktober 2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Nach Anhörung machte es Ersatzansprüche wegen sozialwidrigen Verhaltens geltend, weil die Eheleute ihre Arbeitsplätze zum Zweck der Einreise nach Deutschland gekündigt hätten; die Höhe der Ansprüche werde in einem gesonderten Bescheid mitgeteilt (<Grundlagen->Bescheide vom 27.1.2016; Widerspruchsbescheide vom 22.2.2016). Hierauf gestützt stellte der Beklagte für Oktober 2015 bis März 2017 zuletzt Ersatzansprüche gegenüber den Klägern in Höhe von insgesamt circa 32 000 Euro fest (Leistungsbescheide vom 7.6.2017; Widerspruchsbescheide vom 14.9.2017; die Klagen hiergegen sind noch anhängig).

Das SG hat die Klagen abgewiesen. Das LSG hat das Urteil des SG und die Grundlagenbescheide aufgehoben. Das Verhalten der Kläger sei vom Grundrecht auf Freizügigkeit nach Art 11 Abs 1 GG gedeckt. Dies stehe jedenfalls als wichtiger Grund einem Ersatzanspruch entgegen.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Beklagte eine Verletzung von § 34 SGB II. Die Kläger hätten sich von Polen aus um neue Arbeitsstellen bemühen können.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Gelsenkirchen - S 40 AS 644/16, 27.04.2017
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 19 AS 1182/17, 08.11.2018

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Terminbericht

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des LSG ist zurückgewiesen worden. Wie das LSG zu Recht ausgeführt hat, sind die Leistungsbescheide nicht in das Verfahren einzubeziehen. Denn der Beklagte kann bei der Geltendmachung eines Ersatzanspruchs nach § 34 SGB II mittels gestufter Verwaltungsentscheidungen durch einen Grundlagen- und darauf aufbauende Leistungsbescheide vorgehen. Die Leistungsbescheide werden dann nicht automatisch nach § 96 SGG Gegenstand eines laufenden Gerichtsverfahrens gegen den Grundlagenbescheid.

Das LSG hat ebenfalls im Ergebnis zutreffend die Grundlagenbescheide aufgehoben. Schon die erforderliche Herbeiführung der Leistungsgewährung durch sozialwidriges Verhalten der Klägerin ist nicht gegeben. § 34 SGB II knüpft an der Ausnahmeregelung des § 92a BSHG an und erfordert eine nach den Wertungen des SGB II zu missbilligende Verhaltensweise (vgl nur BSG vom 16.4.2013 - B 14 AS 55/12 R - SozR 4-4200 § 34 Nr 2 RdNr 18 ff). Eine solche liegt nicht vor, wenn eine deutsche Staatsangehörige eine im Ausland ausgeübte Beschäftigung aufgibt und mit ihren Kindern nach Deutschland zieht, ohne sich zuvor um eine Existenzgrundlage im Bundesgebiet bemüht zu haben. Für den Kläger als Ehemann und Vater kann aufgrund von Art 6 Abs 1, 2 GG nichts anderes gelten.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 37/19.

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