Bundessozialgericht

Verhandlung B 6 KA 10/18 R

Verhandlungstermin 11.12.2019 10:30 Uhr

Terminvorschau

C. S. ./. KZÄV Rheinland-Pfalz, beigeladen: 1. Rechtsanwalt A. B.; 2. H. S.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte KZÄV verpflichtet ist, weitere Honorare, die sie trotz Freigabeerklärung für die zahnärztliche Praxis an den Insolvenzverwalter des klagenden Zahnarztes auszahlte, erneut an den Kläger zu zahlen.

Der im Bezirk der Beklagten als Vertragszahnarzt niedergelassene Kläger trat im Jahr 1992 alle bestehenden und künftigen Honorarforderungen sicherungshalber an seine frühere Ehefrau ab. Am 12.9.2008 wurde über sein Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet. Am 22.9.2008 trat die frühere Ehefrau die Honoraransprüche an den zu 2. beigeladenen Vater des Klägers ab. Nachdem der zu 1. beigeladene Insolvenzverwalter am 30.9.2008 erklärt hatte, dass das Vermögen aus der Tätigkeit als Zahnarzt nicht mehr zur Insolvenzmasse gehöre, verlangte der Kläger von der Beklagten, die Honorarzahlungen künftig wieder auf sein Konto zu überweisen. Gleichwohl zahlte die Beklagte die im Zeitraum vom 1.10.2008 bis zum 31.3.2009 fällig gewordenen Honorare in Höhe von ca 101 900 Euro an den Insolvenzverwalter. Am 25.9.2009 trat die frühere Ehefrau des Klägers die Honoraransprüche an den Kläger ab, der sie am 22.6.2011 an seinen Vater abtrat. In einem vorangegangenen Rechtsstreit wurde die Beklagte rechtskräftig verurteilt, ca 50 700 Euro an den Kläger zu zahlen, da dessen Honoraransprüche aufgrund der Zahlungen an den Insolvenzverwalter nicht erloschen waren (BSG Urteil vom 10.12.2014 - B 6 KA 43/13 R - BSGE 118, 30 = SozR 4-2500 § 85 Nr 81).

Im vorliegenden Rechtsstreit fordert der Kläger die Auszahlung weiterer, im zuvor genannten Verfahren noch nicht eingeklagter Honorarzahlungen in Höhe von ca 73 100 Euro an sich. Die Beklagte gab nach Verkündung des BSG-Urteils vom 10.12.2014 über einen Teilbetrag von ca 46 700 Euro ein Anerkenntnis ab, lehnte weitergehende Zahlungen aber ab, weil die Forderungen insoweit bereits Gegenstand des ersten Verfahrens gewesen seien. Zudem erklärte sie am 11.4.2016 hilfsweise die Aufrechnung mit Forderungen, die ihr gegen den Kläger aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen in anderen gerichtlichen Verfahren und aus Vertragsstrafen über insgesamt ca 59 000 Euro zustünden. Das SG hat die Klage hinsichtlich des nicht anerkannten Teilbetrags von ca 26 400 Euro abgewiesen, das LSG die Berufung des Klägers zurückgewiesen und eine zusätzlich erhobene Feststellungsklage als unzulässig abgewiesen. Der noch geltend gemachte Honoraranspruch sei jedenfalls in dieser Höhe durch die Aufrechnung getilgt.

Mit ihren Revisionen machen der Kläger und der Beigeladene zu 2. geltend, eine Aufrechnungslage habe nicht bestanden, da aufgrund der wirksamen Abtretungen der Beigeladene zu 2. Gläubiger der Honoraransprüche sei. Da dies der Beklagten bekannt gewesen sei, könne sie auch aus § 406 BGB kein Aufrechnungsrecht für sich herleiten. Der Beigeladene zu 2. ist im Mai 2019 verstorben.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Mainz - S 16 KA 241/13, 29.11.2017
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz - L 5 KA 38/17, 24.05.2018

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 59/19.

Terminbericht

Die Revision des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Über die Revision des Beigeladenen zu 2. war nicht mehr zu entscheiden, weil er im Verlauf des Revisionsverfahrens verstorben ist; dessen Rechtsmittel  hat sich damit und mit dem Wegfall seiner Beteiligtenstellung in dem Verfahren erledigt.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf weitere Zahlungen aufgrund der von ihm in den Quartalen 3/2008 und 4/2008 nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Freigabe der Zahnarztpraxis erwirtschafteten, später an seinen Vater abgetretenen Honorare aus vertragszahnärztlicher Tätigkeit, welche die Beklagte ursprünglich an den Insolvenzverwalter gezahlt hatte. Zwar standen dem Zessionar von den 101 896,98 Euro, die zu Unrecht an den Insolvenzverwalter ausgezahlt worden waren, nach Begleichung zweier Teilbeträge durch die Beklagte noch der Differenzbetrag von 4516,45 Euro zu. Diesen Anspruch hat die Beklagte aber mit ihrer wirksamen Aufrechnung von Kostenerstattungsansprüchen gegen den Kläger aus anderen Rechtsstreitigkeiten zum Erlöschen gebracht. Die Aufrechnungslage ist trotz der Abtretung der Forderungen an den Vater des Klägers für die Beklagte erhalten geblieben. Die Einschränkungen des § 406 BGB, der nach § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V nur insoweit entsprechend anzuwenden ist, als das mit den Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach dem Vierten Kapitel des SGB V vereinbar ist, gelten insoweit nicht; auf den Zeitpunkt der Kenntnis der Beklagten von der Abtretung kommt es deshalb nicht an.

Einer KZÄV bleibt die mit der Einstellung von Forderungen gegen den Zahnarzt in das Kontokorrent verbundene Aufrechnungsmöglichkeit auch dann erhalten, wenn ihre Forderung - zB auf Rückzahlung von Honorar nach Richtigstellung - erst nach Kenntnis einer Abtretung der Honoraransprüche durch den Vertragszahnarzt entsteht. Das trägt dem Umstand Rechnung, dass die KZÄV nicht die Möglichkeit hat, einseitig und sofort die Rechtsbeziehungen zu einem Zahnarzt zu beenden, der eine Globalzession seiner Honoraransprüche offenlegt. Eine KZÄV ist vielmehr verpflichtet, Abschlagszahlungen und Quartalshonorarzahlungen weiterhin zu leisten, solange die Zulassung fortbesteht. Würde ihr die Aufrechnungsmöglichkeit zB bei nachträglichen Richtigstellungen, Degressionsabzügen, Regressen aufgrund Wirtschaftlichkeitsprüfung oder Honorarkürzungen bei Verletzung der Fortbildungspflicht genommen, hätte das eine einseitige Freistellung des einzelnen Zahnarztes von den Folgen seines Tuns zu Lasten aller Mitglieder der KZÄV zur Folge. Das wäre mit den Verpflichtungen nach dem Vierten Kapitel des SGB V nicht vereinbar. Die deshalb erforderliche Modifikation der Regelung in § 406 BGB durch Zuerkennung einer erweiterten Aufrechnungsmöglichkeit gilt für alle Ansprüche, die der KZÄV gegenüber dem Zahnarzt aus dessen vertragszahnärztlicher Tätigkeit zustehen. Dazu gehören auch Kostenerstattungsansprüche gegen den Zahnarzt aufgrund von Gerichtsverfahren, die im Zusammenhang mit der vertragszahnärztlichen Tätigkeit angefallen sind. Für Ansprüche, die nicht durch die Besonderheiten des vertragszahnärztlichen Abrechnungssystems geprägt sind, wie hier für Ansprüche auf Vertragsstrafen, verbleibt es dagegen bei den allgemeinen Regeln.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 59/19.

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