Bundessozialgericht

Verhandlung B 6 KA 6/19 R

Verhandlungstermin 13.05.2020 12:00 Uhr

Terminvorschau

S. GmbH ./. Kassenärztliche Vereinigung Hessen
Die Beteiligten streiten über die sachlich-rechnerische Richtigstellung von Notfallleistungen. Die Klägerin ist Trägerin eines Krankenhauses, das eine Notfallambulanz betreibt. Sie rechnete in den Quartalen 1/2009 bis 1/2013 insbesondere Laborleistungen als Notfallleistungen ab. Diese Leistungen nahm die beklagte Kassenärztliche Vereinigung von der Vergütung aus, da sie im Rahmen der Notfallbehandlung nicht berechnungsfähig seien. Im Widerspruchsverfahren wies die Beklagte die Klägerin auf das Urteil des BSG vom 12.12.2012 (B 6 KA 5/12 R - SozR 4-2500 § 115 Nr 1) hin. Nach dieser Entscheidung komme eine Vergütung für Laborleistungen lediglich in besonders begründeten Einzelfällen oder wenn das Krankenhaus nur als Auftragnehmer eines Überweisungsauftrages tätig werde in Betracht. Sie forderte die Klägerin daher auf, anhand der Einzelfälle die Notwendigkeit der Laborleistungen für die Notfallbehandlung darzulegen. Den Widerspruch wies die Beklagte sodann zurück, da eine entsprechende Darlegung nicht erfolgt sei.

Die Klägerin hatte mit ihrer Klage vor dem SG im Sinne einer Aufhebung der angefochtenen Bescheide wegen fehlender Sachverhaltsaufklärung durch die Beklagte Erfolg. Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zu Recht habe das SG die Voraussetzungen des § 131 Abs 5 SGG bejaht. Die sachlich-rechnerische Richtigstellung erfordere eine Prüfung im Einzelfall. Die Beklagte habe die Absetzungen jedoch regelhaft vorgenommen. Sie hätte demgegenüber auf die Vorlage der Abrechnung durch die Klägerin konkrete Beanstandungen formulieren müssen. Erst diese Beanstandungen hätten die Klägerin verpflichtet, ihrerseits unter Vorlage von Unterlagen die Erbringung von Laborleistungen als erforderlich im Rahmen der Notfallbehandlung zu belegen. Die Beklagte sei daher ihren Amtsermittlungspflichten nicht gerecht geworden. Diese Amtsermittlungspflicht sei auch nicht dadurch begrenzt, dass die Klägerin auf die Aufforderung im Widerspruchsverfahren nur allgemeine Angaben gemacht, insbesondere nicht alle Behandlungsunterlagen vorgelegt habe. Die weiteren Ermittlungen seien auch entscheidungserheblich, da die Klägerin mit weiterem Sachvortrag nicht präkludiert sei.

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision, dass die Verurteilung zu einer weiteren Sachaufklärung nach § 131 Abs 5 SGG rechtsfehlerhaft erfolgt sei. Weder anhand der Ergebnisse des Verwaltungsverfahrens noch aufgrund des Vortrags der Klägerin im gesamten Klageverfahren habe sich für sie - die Beklagte - eine gesteigerte auf den Einzelfall bezogene Prüfpflicht ergeben. Zudem habe sie die Klägerin im Verwaltungsverfahren aufgefordert, substantiiert anhand der Einzelfälle zur Notwendigkeit der zur Abrechnung eingereichten Laboruntersuchungen im Hinblick auf den begrenzten Untersuchungs- und Behandlungsauftrag im Notfalldienst vorzutragen. Jedenfalls spätestens ab diesem Zeitpunkt sei ihre Amtsermittlungspflicht begrenzt gewesen.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Marburg - S 12 KA 616/14, 18.03.2015
Hessisches Landessozialgericht - L 4 KA 20/15, 19.12.2018

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Terminbericht

Die Revision der beklagten KÄV hat im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der angefochtenen Bescheide in Verbindung mit einer Zurückverweisung an die Verwaltung nach § 131 Abs 5 SGG haben nicht vorgelegen.

Nach dieser Vorschrift kann das Gericht binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde die angefochtenen Bescheide aufheben, wenn es eine weitere Sachaufklärung für erforderlich hält, die noch erforderlichen Ermittlungen nach Art und Umfang erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Die Regelung zielt darauf ab, einer Verlagerung der Amtsermittlungspflicht der Behörde nach § 20 SGB X in das gerichtliche Verfahren entgegenzuwirken. Grundsätzlich soll nur ein der Behörde unterlaufener und den Sachverhalt betreffender Aufklärungsmangel zur Zurückverweisung berechtigen. Ein solcher Aufklärungsmangel kann der Beklagten nicht vorgeworfen werden.

Grundsätzlich ist die KÄV berechtigt, Abrechnungen von Krankenhäusern über durchgeführte Notfallbehandlungen zu berichtigen, wenn Leistungen abgerechnet worden sind, die nicht zum Spektrum zulässiger Notfallbehandlungen gehören. Die Klägerin hat hier eine sehr große Bandbreite an Laborparametern abgerechnet, die in diesem Umfang offensichtlich nicht zur Basisversorgung im organisierten Notdienst gehören. Es ist im Rahmen der Amtsermittlung nicht Aufgabe der beklagten KÄV, eine offensichtlich zumindest teilweise falsche Abrechnung daraufhin zu überprüfen, ob hieraus einzelne erbrachte Laborleistungen möglicherweise unter Beachtung des engen Leistungsspektrums von Notfallbehandlungen erforderlich waren. Da die Beklagte die Klägerin im Verwaltungsverfahren darauf hingewiesen hat, dass die Notwendigkeit der Laboruntersuchungen im Einzelfall belegt werden muss und die Klägerin insoweit ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen ist, war die Beklagte zur weiteren Sachaufklärung nicht verpflichtet. Schon aus diesem Grund waren die Voraussetzungen einer Zurückverweisung an die Verwaltung nach § 131 Abs 5 SGG nicht erfüllt.

Der Senat hat die Sache daher nach § 170 Abs 2 SGG an das LSG zurückverwiesen. Dieses muss den Sachverhalt im Hinblick auf die Richtigkeit der Abrechnungen iSd § 106a Abs 2 SGB V aF aufklären. Dies kann unter Berücksichtigung der Vielzahl der Fälle nur unter Mitwirkung der Beteiligten erfolgen; die Klägerin ist insoweit im wiedereröffneten Berufungsverfahren mit ergänzendem Vortrag zu der Notwendigkeit der Laboruntersuchungen im Rahmen einer Notfallbehandlung nicht ausgeschlossen.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 16/20.

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