Bundessozialgericht

Verhandlung B 14 AS 28/19 R

Verhandlungstermin 14.05.2020 12:00 Uhr

Terminvorschau

A. K. ./. Bundesagentur für Arbeit, beigeladen: Jobcenter Kreis Wesel
Im Streit stehen Feststellungsbegehren zu von der beklagten Bundesagentur für Arbeit (BA) geltend gemachten Erstattungsforderungen des beigeladenen Jobcenters und deren Erlass.

Der Kläger sowie seine Frau und sein Sohn bezogen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, deren Höhe das Jobcenter zwischen 2006 und 2011 mehrfach änderte. Daraus resultierende Überzahlungen rechnete es überwiegend gegen Leistungsansprüche auf. Verbliebene Beträge macht die BA beim Kläger geltend. Seinen Antrag auf Erlass vor dem 1.9.2009 entstandener Forderungen lehnte die BA ab.

Die Klage auf Feststellung der Höhe der von der BA berechtigt geltend gemachten Forderungen und auf deren teilweisen Erlass hat das SG bezogen auf das Feststellungsbegehren als unzulässig und im Übrigen als unbegründet abgewiesen. Die Berufung hat das LSG zurückgewiesen. Für das Feststellungsbegehren fehle es schon an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der BA, weil diese als bloße "Inkasso-Stelle" ersichtlich im Namen des beigeladenen Jobcenters gehandelt habe und daher nicht passivlegitimiert sei. Im Verhältnis zum Jobcenter bestehe kein Feststellungsinteresse, da insoweit ein Zugunstenverfahren eingeleitet werden könne. Wegen des Erlasses werde der Kläger mit materiell-rechtlichen Einwendungen nicht gehört. Anhaltspunkte für eine persönliche Unbilligkeit seien nicht ersichtlich.

Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung von §§ 55, 75 SGG, §§ 44b, 44c SGB II, § 50 Abs 3 SGB X sowie von § 44 SGB II. Es bestehe ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zwischen ihm und der BA, da sie Forderungskonten zu seinen Lasten angelegt habe und Forderungen ihm gegenüber aktiv geltend mache. Dazu sei sie nicht berechtigt gewesen, da das Jobcenter ihr den Forderungseinzug nicht vor Ende 2014 wirksam übertragen habe. Für einen Teil der geltend gemachten Forderungen seien keine Erstattungsbescheide ergangen. Dazu hätte das LSG Feststellungen treffen müssen.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Duisburg - S 33 AL 245/14, 21.10.2015
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 9 AL 7/16, 14.12.2017

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 17/20.

Terminbericht

Auf die Revision des Klägers war die Entscheidung des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen, soweit sie Feststellungen im Verhältnis zur beklagten Bundesagentur für Arbeit (BA) betrifft. Zu Recht begehrt der Kläger sinngemäß die Feststellung, dass dem Forderungseinzug der BA keine ausreichenden Leistungsbescheide des beigeladenen Jobcenters zugrunde liegen oder die Forderungen mindestens teilweise getilgt sind. Inwieweit er mit diesem Einwand durchdringt, vermag der Senat aufgrund der Feststellungen des LSG nicht abschließend zu entscheiden, weshalb über den im Streit stehenden Erlass ebenfalls nicht in der Sache zu entscheiden war.

Aufgrund einer Übertragung des Forderungseinzugs (§ 44b Abs 4 Satz 1 SGB II) nimmt die BA die Kompetenzen des Jobcenters zur Vollstreckung von Geldforderungen wahr und hat im Gegenzug für dessen Ordnungsgemäßheit nicht anders einzustehen als das Jobcenter, würde es die Forderungen selbst beitreiben. Demzufolge ermächtigt eine wirksame Übertragung des Forderungseinzugs die BA als so genannte Anordnungsbehörde einerseits, das Hauptzollamt um die Durchführung der Vollstreckung vollstreckbarer Leistungsbescheide des Jobcenters zu ersuchen, soweit Ansprüche der in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirkenden Träger zu vollstrecken sind (§ 40 Abs 8 Halbsatz 1 SGB II). Andererseits ist sie als ersuchende Behörde verpflichtet, in jeder Verfahrenslage auf Änderungen oder Fehler zu reagieren, die die Rechtmäßigkeit ihrer Vollstreckungsanordnungen berühren und damit der Garantenstellung gerecht zu werden, die mit der Einleitung einer Zwangsvollstreckung verbunden ist.

Berühmt sich die BA des Rechts, im Auftrag eines Jobcenters Forderungen einzuziehen und damit - ausgesprochen oder unausgesprochen - zugleich der Rechtsmacht, deswegen die Zwangsvollstreckung einleiten zu können, begründet dies danach ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis unmittelbar zwischen dem Adressaten der Zahlungsaufforderung und ihr selbst zu der Frage, ob die Voraussetzungen für die Einleitung einer Vollstreckung vorliegen (§ 3 Abs 2 VwVG). Rügt der in Anspruch genommene Schuldner, dass dem Forderungseinzug kein wirksamer Leistungsbescheid zugrunde liegt (§ 3 Abs 2 Buchst a VwVG) oder die festgesetzte Forderung schon ausgeglichen ist, kann dies im Wege der Feststellungsklage unmittelbar im Verhältnis zur BA zur Überprüfung gestellt werden. Für das dazu erforderliche Feststellungsinteresse reicht aus, dass sie sich der Befugnis berühmt, mit dem Forderungseinzug betraut zu sein; ob die Vollstreckung bereits eingeleitet ist und ggfs andere Wege bestünden, auf deren Einstellung hinzuwirken, ist unbeachtlich.

Ob die BA den Kläger daran gemessen zutreffend auf Zahlung entsprechend der streitbefangenen Forderungsaufstellungen in Anspruch nimmt, kann der Senat aufgrund der Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden. Dazu ist zunächst zu klären, ob der BA wirksam der Forderungseinzug des beigeladenen Jobcenters übertragen worden ist (vgl BSG vom 14.2.2018 B 14 AS 12/17 R BSGE 125, 137 = SozR 4-4200 § 44c Nr 1). Ist das der Fall, ist zu prüfen, inwieweit den Forderungsaufstellungen als Leistungsbescheide wirksame Erstattungsbescheide des Jobcenters zugrunde liegen, die durch Aufrechnung oder Zahlung noch nicht ausgeglichen sind. Ohne Bedeutung insoweit ist allerdings, ob der Kläger mit Einwendungen gegen die Leistungsbescheide durchdringen könnte.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 17/20.

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