Bundessozialgericht

Verhandlung B 2 U 12/18 R

Verhandlungstermin 23.06.2020 10:00 Uhr

Terminvorschau

D. N. ./. Verwaltungs-Berufsgenossenschaft
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin während ihres Aufenthaltes in einer Reha-Klinik einen Arbeitsunfall erlitten hat. Die Klägerin erhielt wegen einer "Anpassungsstörung" auf Kosten der Deutsche Rentenversicherung Bund stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Die Ärzte der Reha-Klinik empfahlen ihr, Kontakt mit den anderen Rehabilitanden zu suchen und sich in eigener Initiative mit den Teilnehmern ihrer Therapiegruppe zu Abendaktivitäten zu verabreden. Gemeinsame Unternehmungen wurden von der Klinik allgemein gewünscht und empfohlen. Konkrete Unterstützungsmaßnahmen durch die Klinik oder eine konkrete ärztliche Anweisung zu einer solchen Unternehmung an die Klägerin oder eine therapeutische Begleitung der Aktivitäten erfolgten nicht. An einem Samstagabend schlug ein anderer Teilnehmer einen Ausflug zu einer Gaststätte vor. Auf dem Rückweg von der Gaststätte um ca 22 Uhr 30 stürzte die Klägerin und verletzte sich an Fingern der linken Hand. Die Beklagte lehnte die Gewährung von Leistungen aus der Gesetzlichen Unfallversicherung ab, weil der Ausflug eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit gewesen sei. Das SG hat die Klage abgewiesen, das LSG die Berufung zurückgewiesen. Der Sturz der Klägerin auf dem Heimweg von dem abendlichen Gaststättenbesuch habe in keinem sachlichen Zusammenhang mit der Entgegennahme und Durchführung der Rehabilitationsbehandlung gestanden. Der Gaststättenbesuch sei nicht ärztlich angeordnet gewesen. Zwar habe die Reha-Klinik empfohlen, dass sich die Rehabilitanden eigeninitiativ mit Teilnehmern ihrer Therapiegruppen zu Abendaktivitäten verabreden sollten und es wäre ausreichend, wenn die Klägerin aufgrund der objektiven Gegebenheiten von ihrem Standpunkt aus subjektiv der Auffassung hätte sein können, der Gaststättenbesuch diene der stationären Behandlung. Dies sei bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls jedoch nicht der Fall. Es habe lediglich eine allgemeine Empfehlung gegeben, sich eigeninitiativ mit Teilnehmern der Therapiegruppe zu treffen. Die Veranstaltung habe außerhalb des therapeutischen Zeitplans stattgefunden und die Teilnehmer hätten sich aus den zufällig am Tisch bzw Nebentisch sitzenden Personen ergeben. Schließlich sei nicht mehr aufklärbar, ob es sich bei den am Gaststättenbesuch Teilnehmenden um Mitglieder der "Bezugsgruppe" der Klägerin gehandelt habe. Der Weg von der Gaststätte zur Einrichtung sei auch nicht nach § 8 Abs 2 SGB VII versichert gewesen.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 8 Abs 1 Satz 1 iVm § 2 Abs 1 Nr 15 Buchst a SGB VII. Der Gaststättenbesuch habe in einem sachlichen Zusammenhang mit der Teilnahme an der Rehabilitationsmaßnahme gestanden, weil bei einer Anpassungsstörung die Planung und Teilnahme an einer Freizeitveranstaltung Teil der Therapie sei. Aus ihrer subjektiven Sicht, die hier maßgeblich sei, habe sie die Aktivität mit der Absicht unternommen, die Rehabilitation zu fördern.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Stuttgart - S 26 U 1177/17, 25.07.2017
Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 8 U 3286/17, 23.03.2018

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Terminbericht

Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Zu Recht haben die Vorinstanzen entschieden, dass die Klägerin keinen Arbeitsunfall erlitten hat. Die Klägerin war zwar während des Aufenthalts in der Reha-Einrichtung dem Grunde nach in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Nach § 2 Abs 1 Nr 15 Buchst a SGB VII steht unter Versicherungsschutz, wer ua auf Kosten eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung stationäre oder teilstationäre Behandlung oder Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhält. Die Klägerin hat durch den Sturz auch einen Unfall iS des § 8 Abs 1 SGB VII erlitten, der zu einem Gesundheitsschaden führte. Die konkrete Verrichtung der Klägerin zum Zeitpunkt des Sturzes stellte aber keine nach § 2 Abs 1 Nr 15 Buchst a SGB VII versicherte Tätigkeit dar. Im Zeitpunkt des Unfalles war die Klägerin zu Fuß auf dem Rückweg von einer Gaststätte in die Klinik. Diese Verrichtung stand nicht im inneren Zusammenhang mit dem Erhalt der Leistung der medizinischen Rehabilitation. Versicherte Verrichtung nach § 2 Abs 1 Nr 15 Buchst a SGB VII ist jedes aktive Handeln und passive Erdulden der durch die stationäre Aufnahme in einem Krankenhaus geprägten Vorgänge. Vom Versicherungsschutz sind dabei nicht nur medizinische Maßnahmen und ärztlich verantwortete Behandlungen umfasst, denn Rehabilitanden sollen gemäß § 2 Abs 1 Nr 15 Buchst a SGB VII gegen Gefahren geschützt werden, die daraus entstehen, dass sie sich in eine besondere Einrichtung begeben und dort überwiegend anderen Risiken ausgesetzt sind als zu Hause. Auch bei einer vollstationären Behandlung besteht aber kein Versicherungsschutz "Rund um die Uhr", sondern nur, wenn die konkrete Verrichtung als Bestandteil der medizinischen Rehabilitation ärztlich oder durch sonstige in die Rehabilitation eingebundene Personen angeordnet bzw empfohlen worden ist. Eine solche Anordnung oder Empfehlung muss konkret auf die einzelne Versicherte im Hinblick auf deren Rehabilitationsbedarf erfolgen. Allgemeine Empfehlungen ohne Bezug auf die konkrete Behandlungsmaßnahme genügen dagegen nicht. Der Gaststättenbesuch war nach den Feststellungen des LSG nicht in einen Therapieplan aufgenommen. Er war nicht ärztlich oder durch eine andere in die Leistungserbringung eingebundene Person angeordnet oder empfohlen worden. Der Gaststättenbesuch einschließlich seines Ablaufs, des Verhaltens der Teilnehmer und der Gesprächsinhalte sollte auch nicht Gegenstand der Therapiesitzungen sein. Nach den bindenden und verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) war der Klägerin zwar während ihres Aufenthalts in der Rehabilitationsklinik von den Ärzten empfohlen worden, Kontakt mit den anderen Rehabilitanden zu suchen und Abendaktivitäten zu unternehmen. Diese allgemeinen Empfehlungen waren nicht speziell auf die Klägerin bezogen und nicht im Hinblick auf ihren Rehabilitationsbedarf erfolgt. Zwar können vom Versicherungsschutz auch solche Betätigungen umfasst sein, die die Versicherten subjektiv für behandlungsdienlich halten konnten, soweit die subjektive Vorstellung in den objektiven Gegebenheiten eine Stütze findet. Zutreffend hat das LSG allerdings entschieden, dass die Klägerin hier subjektiv aufgrund der festgestellten Umstände nicht davon ausgehen konnte, dass der Besuch der Gaststätte als Maßnahme ihrer stationären Rehabilitation der Behandlung objektiv diente. Die Klägerin stand bei dem Sturz auch nicht unter dem Schutz der Wegeunfallversicherung gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 23/20.

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