Bundessozialgericht

Verhandlung B 8 SO 27/18 R

Verhandlungstermin 03.07.2020 13:00 Uhr

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M. R. ./. Kreis Schleswig-Flensburg
Der Kläger bezog vom beklagten Sozialhilfeträger laufend Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Dabei berücksichtigte der Beklagte abzüglich eines Freibetrags von 63 Euro Zuwendungen der von ihm besuchten Integrierten Angebotswerkstatt (IAW) Schleswig als Einkommen. Ziel der IAW ist es, in den Austausch mit den Teilnehmern zu treten, um deren Fertigkeiten zu stärken bzw neue zu lernen. Die nach dem SGB XII geschlossene Leistungs- und Prüfungsvereinbarung sieht vom Einrichtungsträger an die Maßnahmeteilnehmer zu zahlende Entgelte nicht vor. Die danach freiwilligen Zuwendungen dienten als Anreiz für den Besuch der IAW und betrugen 1,60 Euro für jede Stunde der Anwesenheit unabhängig von einer ausgeübten Tätigkeit. Die mit der Begründung erhobene Klage, die Zuwendungen der IAW müssten als Einkommen außer Betracht bleiben, hat keinen Erfolg gehabt. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, bei dem Einkommen handele es sich um eine Zuwendung der freien Wohlfahrtspflege. Soweit die Zuwendungen monatlich den Betrag von 63 Euro überstiegen, beeinflussten sie die Lage des Klägers so günstig, dass Sozialhilfe daneben nicht gerechtfertigt sei. Dieser Grenzbetrag entspreche dem Ausbildungsgeld nach §§ 122, 125 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderungsrecht - (SGB III), das im ersten Jahr der Teilnahme an einer Berufsbildungsmaßnahme in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) als Einkommen nicht zu berücksichtigen sei.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Sprungrevision.

Vorinstanz:
Sozialgericht Schleswig - S 12 SO 44/15, 04.05.2018

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Terminbericht

Die Revision des Klägers war erfolgreich. Eine von § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X vorausgesetzte Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die der Bewilligung von Grundsicherungsleistungen zugrunde lagen, ist durch die Zuwendungen der IAW nicht eingetreten. Die Zuwendungen sind zwar keine anrechnungsfreien Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege. Dies setzt nämlich voraus, dass die IAW in der Gestaltung ihrer Arbeit völlig frei ist, woran es vorliegend fehlt, weil sie auf Grundlage von Verträgen als Leistungserbringer für einen Sozialhilfeträger tätig wird. Bei dem Einkommen handelt es sich aber um eine Zuwendung iS des § 84 Abs 2 SGB XII, die ein anderer erbringt, ohne hierzu eine rechtliche oder sittliche Pflicht zu haben. Solche Zuwendungen sollen als Einkommen außer Betracht bleiben, soweit ihre Berücksichtigung für die Leistungsberechtigten im Einzelfall eine besondere Härte bedeuten würde. Mit dem Begriff der "besonderen Härte" lässt sich - entgegen der Auffassung des SG - keine feste Obergrenze in Anlehnung an bestimmte Einkommensgrenzen vereinbaren, bis zu der eine Zuwendung berücksichtigungsfrei wäre. Wird mit der Zuwendung ein Anreiz gesetzt, durch regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme die bestehenden behinderungsbedingten Einschränkungen in Bezug auf die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft aktiv zu mindern oder zu überwinden und wird - wie hier - schon aus der Höhe der Zuwendung deutlich, dass kein Zusammenhang mit einem Erfolg bei einer Tätigkeit besteht, wäre es eine besondere Härte, würde auch nur ein Teil dieser Zuwendung als Einkommen berücksichtigt. Hat die Aufhebungsentscheidung des Beklagten danach keinen Bestand, führt dies zur Rechtswidrigkeit auch der Entscheidung über die Erstattung.

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