Bundessozialgericht

Verhandlung B 4 AS 22/20 R

Verhandlungstermin 17.09.2020 10:45 Uhr

Terminvorschau

J. S. ./. Integrationscenter für Arbeit Gelsenkirchen - das Jobcenter
Der Kläger wohnte im streitgegenständlichen Zeitraum allein in einer Mietwohnung in Gelsenkirchen und bezog Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bei der Berechnung der Leistungen für Unterkunft berücksichtigte der Beklagte nicht die tatsächlichen Kosten, sondern die aufgrund eines in seinem Auftrag erstellten Konzeptes, das hinsichtlich der Nettokaltmiete auf der Erhebung ausschließlich von Angebotsmieten im Gebiet der Stadt Gelsenkirchen beruht

Das SG hat den Beklagten der Sache nach verurteilt, dem Kläger die Unterkunftskosten in tatsächlicher Höhe zu zahlen. Das vom Beklagten zugrunde gelegte Konzept genüge nicht den vom BSG aufgestellten Anforderungen an ein sog "schlüssiges Konzept". Auf die Berufung des Beklagten hat das LSG das Urteil des SG "abgeändert" und die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe aufgrund eines schlüssigen Konzeptes entschieden. Insbesondere die Ermittlung der angemessenen Nettokaltmiete nur anhand von Wohnungsangeboten sei von der Rechtsprechung des BSG gedeckt. Auch die Ermittlung der sog kalten Betriebskosten aufgrund des Medians der ermittelten Kosten aus einer Bestandsmietenerhebung sei nicht zu beanstanden.

Hiergegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision des Klägers. Er trägt unter anderem vor, dass in dem vom Beklagten zugrunde gelegten Konzept Substandardwohnungen nicht ausgesondert worden seien. Außerdem seien Bestandsmieten zu Unrecht nicht berücksichtigt worden. Es seien sowohl Neuvertrags- als auch Bestandsmieten zu berücksichtigen, was vorliegend nicht erfolgt sei.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Gelsenkirchen - S 33 AS 1670/17, 19.09.2018
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 7 AS 1764/18, 05.12.2019

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Terminbericht

Der Senat hat auf die Revision des Klägers das Urteil des LSG aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung dorthin zurückverwiesen. Der Senat konnte nicht abschließend beurteilen, ob der Kläger einen höheren Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung hat. Zutreffend ist das LSG allerdings zu dem Ergebnis gekommen, dass der Beklagte die angemessene Nettokaltmiete für Unterkunft und Heizung in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum nach einem schlüssigen Konzept ermittelt hat. Dem steht nicht entgegen, dass das Konzept insofern lediglich auf Angebotsmieten beruht. Bei der Prüfung des Angemessenheitsbegriffs ist letztlich entscheidend, ob der jeweilige Kläger im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anmieten kann. Insofern können Angebotsmietenkonzepte ein geeignetes Verfahren darstellen, um ein wohnungsbezogenes Existenzminimum zu ermitteln, auch wenn keine Bestandsmieten erhoben werden.

Der Senat konnte allerdings nicht beurteilen, ob auch die kalten Nebenkosten rechtmäßig ermittelt worden sind. Es ist nicht zu beanstanden, für die Ermittlung der abstrakt angemessenen kalten Betriebskosten auf Durchschnittswerte oder den Median von - möglichst lokalen oder regionalen - Erhebungen zu den tatsächlichen Betriebskosten abzustellen. Zur Vermeidung von Zirkelschlüssen setzt die Zugrundelegung von Durchschnittswerten oder des Medians aber voraus, dass sich die Datenerhebung auf den gesamten Wohnungsmarkt des Vergleichsraums und nicht nur auf Wohnungen einfachen Standards mit tendenziell geringeren kalten Betriebskosten oder gar nur auf Wohnungen von Beziehern von Grundsicherungsleistungen bezieht. Werden nur solche Wohnungen als Datengrundlage herangezogen und wird von den so ermittelten Werten der Durchschnitt gebildet, so errechnet sich ein Angemessenheitswert, der unter dem Wert liegt, der für einen erheblichen Teil der Leistungsempfänger als angemessen akzeptiert wird. Erfassen die zugrunde gelegten Daten nur Wohnungen einfachen Standards ist daher auf die obere Kostengrenze dieses Segments abzustellen, wobei sicherzustellen ist, dass Ausreißerwerte außer Betracht bleiben. Den Ausführungen des LSG lässt sich nicht entnehmen, auf welche Daten sich die Erhebung der kalten Betriebskosten im vorliegenden Fall bezieht; insofern wird das LSG noch Feststellungen zu treffen haben.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 30/20.

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