Bundessozialgericht

Verhandlung B 4 AS 46/20 R

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Aufhebungsbescheid - Änderungsbescheid - Widerspruchsbescheid - Jahresfrist

Verhandlungstermin 08.12.2020 11:00 Uhr

Terminvorschau

A. L. ./. Jobcenter Mansfeld-Südharz
Der Vater des Klägers beantragte für sich und den Kläger wiederholt Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, gab bei einer erneuten Antragstellung aber nicht an, dass der Kläger mittlerweile Einkommen aus einem Ausbildungsverhältnis erzielt. Der Beklagte bewilligte dem Kläger dementsprechend jeweils Grundsicherungsleistungen ohne Berücksichtigung von Einkommen. Nachdem der Beklagte von diesem Einkommen erfahren hatte, hob er die Bewilligungen teilweise rückwirkend auf, ohne die Teilaufhebungen einzelnen Monaten des Bewilligungszeitraums zuzuordnen, und forderte Leistungen im aufgehobenen Umfang zurück. Während des Widerspruchsverfahrens reduzierte der Beklagte in einem Änderungsbescheid den Aufhebungs- und Erstattungsbetrag, ordnete die Beträge nun aber jeweils einzelnen Monaten zu. Anschließend wies er den Widerspruch zurück.

Das SG hat den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid in der Fassung des Änderungsbescheides und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben. Der ursprüngliche Aufhebungs- und Erstattungsbescheid sei wegen Unbestimmtheit rechtswidrig. Der Änderungsbescheid habe den Bestimmtheitsmangel zwar geheilt, sei aber erst nach Ablauf der Jahresfrist des § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X erlassen worden.

Das LSG hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die falschen Angaben des Vaters des Klägers bei Antragstellung seien zumindest grob fahrlässig gewesen; der Kläger müsse sie sich zurechnen lassen. Die Jahresfrist des § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X sei durch den ursprünglichen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid gewahrt. Dass erst der Änderungsbescheid den Bestimmtheitsanforderungen genügt habe und dieser nach Ablauf der Jahresfrist ergangen sei, sei unschädlich.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger der Sache nach eine Verletzung des § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X. Der ursprüngliche Aufhebungs- und Erstattungsbescheid sei unbestimmt gewesen. Der erst nach Ablauf der Jahresfrist ergangene Änderungsbescheid habe diesen Mangel nicht beseitigen können.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Hannover - S 7 AS 2927/15, 13.02.2018
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen - L 11 AS 239/18, 26.05.2020

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 45/20.

Terminbericht

Der Senat hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtmäßig. Zwar war der ursprüngliche Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 14.3.2013 unbestimmt, denn erst der während des Widerspruchsverfahrens erlassene Änderungsbescheid vom 18.7.2014 enthielt die bei teilweiser Leistungsaufhebung erforderliche Zuordnung der Aufhebungsbeträge zu den einzelnen Monaten. Bestimmtheitsmängel können aber jedenfalls während des Widerspruchsverfahrens beseitigt werden. Dass der Bescheid vom 18.7.2014 erst nach Ablauf der Jahresfrist des § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X erlassen wurde, ist unerheblich, denn die Frist wurde durch den ursprünglichen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid gewahrt. Dem durch die Jahresfrist geschützten Vertrauen des Klägers in den Bestand des Bewilligungsbescheides war bereits im Zeitpunkt der ersten Rücknahmeentscheidung im Umfang der Rücknahme die Grundlage entzogen. Für diese Erschütterung des Vertrauens ist eine auf die monatlichen Beträge bezogene Bestimmtheit des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides nicht erforderlich.

Die Voraussetzungen für die Rücknahme der Leistungsbewilligungen mit Wirkung für die Vergangenheit sind auch insoweit gegeben, als die Bewilligungen auf zumindest grob fahrlässig falschen Angaben des Vaters des volljährigen Klägers beruhten. Der Vater des Klägers hat nach den Feststellungen des LSG als Vertreter des Klägers - zumindest im Rahmen einer sog Duldungsvollmacht - gehandelt. Wer es aber duldet, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt, muss sich nach den Grundsätzen der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht dessen Verhalten zurechnen lassen, selbst wenn er keinen Bevollmächtigungswillen gehabt hätte.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 45/20.

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