Bundessozialgericht

Verhandlung B 14 AS 25/20 R

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Leistungsausschluss - EU-Ausländer

Verhandlungstermin 27.01.2021 11:30 Uhr

Terminvorschau

1) I. D. P., 2) St. I., 3) E.V.G. ./.  Jobcenter Köln
Umstritten sind Leistungen nach dem SGB II für EU-Ausländer vom März bis August 2017.

Die Klägerin zu 1) ist die Mutter des Klägers zu 2) und der Klägerin zu 3). Sie sind bulgarische Staatsangehörige und reisten 2013 nach Deutschland ein, wo die Kinder seit 2014 durchgehend die Schule besuchen. Die Klägerin zu 1) war von November 2014 bis Februar 2015 geringfügig beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund betriebsbedingter Kündigung. Die Kläger bezogen Leistungen nach dem SGB II vom beklagten Jobcenter bis Februar 2017. Den Weiterbewilligungsantrag lehnte es unter Berufung auf die Leistungsausschlüsse für nur zur Arbeitssuche und nach Art 10 VO (EU) Nr 492/2011 aufenthaltsberechtigte Unionsbürger ab.

Das SG hat die Klagen abgewiesen. Das LSG hat die Berufungen zurückgewiesen. Die Kläger seien von Leistungen gemäß § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II ausgeschlossen. Insbesondere habe kein Aufenthaltsrecht nach Art 10 VO (EU) Nr 492/2011 bestanden, weil die Erwerbstätigkeit der Klägerin zu 1) nicht den Anforderungen an eine Tätigkeit als Arbeitnehmerin nach Art 45 AEUV entsprochen habe. Sie sei nur "vergönnungsweise" beschäftigt gewesen. Angesichts dessen könne dahinstehen, ob ihre Berufung auf Art 10 VO (EU) Nr 492/2011 rechtsmissbräuchlich sei. Eine Beiladung des Sozialhilfeträgers sei entbehrlich gewesen, weil die Leistungen nach § 23 SGB XII ein aliud gegenüber den Leistungen nach dem SGB II darstellten.

Mit ihren Revisionen rügen die Kläger eine Verletzung von Art 10 VO (EU) Nr 492/2011. Das LSG habe zu Unrecht die Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin zu 1) verneint.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Köln - S 31 AS 3087/17, 06.09.2018
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 19 AS 1608/18, 05.12.2019

Die Vorschau zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 4/21.

Terminbericht

Auf die Revisionen der Kläger ist das Urteil des LSG aufgehoben und die Sache an das LSG zurückverwiesen worden.

Entgegen der Auffassung des LSG können die Kläger Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II gegen das beklagte Jobcenter haben. Denn die Klägerin zu 1) ist aufgrund ihrer wenn auch nur geringfügigen Beschäftigung von November 2014 bis Februar 2015 als Arbeitnehmerin gemäß Art 45 ff AEUV anzusehen, so dass sich eine Freizügigkeitsberechtigung der Kläger aus Art 10 VO (EU) Nr 492/2011 ergeben könnte (vgl zum früheren § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 Buchst c SGB II nur EuGH vom 6.10.2020 – C-181/19).

Die Berufung der Klägerin zu 1) hierauf könnte jedoch rechtsmissbräuchlich sein, was sich auf die von ihr abgeleiteten Ansprüche der anderen Kläger auswirken würde. Das LSG hat diese Frage ausdrücklich offengelassen und wird dies weiter aufzuklären haben.

Sollten die Kläger keine Ansprüche nach dem SGB II haben, ist entsprechend ihrem Begehren auf Leistungen nach dem SGB XII der Sozialhilfeträger beizuladen (vgl zum Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG letztens BVerfG vom 5.11.2019 - 1 BvL 7/16 - BVerfGE 152, 68 ff; zum Verhältnis von SGB II und SGB XII letztens BSG vom 30.8.2017 - B 14 AS 31/16 R - BSGE 124, 81 = SozR 4-4200 § 7 Nr 53, RdNr 29 ff).

Die Berichte zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 4/21.

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