Bundessozialgericht

Verhandlung B 4 AS 59/20 R

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einstiegsgeld - sozialversicherungspflichtige Beschäftigung

Verhandlungstermin 04.03.2021 14:00 Uhr

Terminvorschau

C. P.  ./.  Jobcenter Vorpommern-Greifswald Süd
Die Klägerin begehrt Einstiegsgeld für die Aufnahme einer Arbeitsgelegenheit in der Entgeltvariante. Sie bezog seit dem Jahr 2005 mit kürzeren Unterbrechungen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Vom 1.3.2010 bis 28.2.2011 übte sie bei einem Verband eine Tätigkeit als Betreuerin aus, die durch den Beklagten als Arbeitsgelegenheit in der Entgeltvariante gefördert wurde, einer Förderung, die in dieser Form seit dem 1.4.2012 nicht mehr zur Verfügung steht. Einen Antrag der Klägerin auf Einstiegsgeld lehnte der Beklagte mit der Begründung ab, dieses setze die Aufnahme einer (sozial-) versicherungspflichtigen Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt voraus; die aufgenommene Tätigkeit sei jedoch versicherungsfrei in der Arbeitslosenversicherung. Das SG hat den Beklagten zur Neubescheidung verurteilt. Das LSG hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es sich der Auffassung des Beklagten angeschlossen. Im Übrigen setze die Gewährung von Einstiegsgeld die Aufnahme einer Tätigkeit auf dem ersten oder allgemeinen Arbeitsmarkt voraus, die hier fehle. Auch dem Sinn und Zweck des Einstiegsgeldes, nämlich Anreize für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu schaffen, könne durch die Förderung von Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante mit Einstiegsgeld nicht Rechnung getragen werden.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 16b Abs 1 Satz 1 SGB II in der bis 31.3.2012 gültigen Fassung. Trotz der Versicherungsfreiheit der Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante in der Arbeitslosenversicherung sei die Beschäftigung sozialversicherungspflichtig. Dem Wortlaut von § 16b Abs 1 Satz 1 SGB II sei auch nicht zu entnehmen, dass die Eingliederung unmittelbar auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erfolgen müsse. Vielmehr könne die Förderung einer Beschäftigung auch erforderlich sein, um den Betroffenen im Sinne eines Zwischenschrittes in den allgemeinen Arbeitsmarkt mittelbar einzugliedern.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Neubrandenburg - S 12 AS 1916/10, 06.05.2014
Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern - L 14 AS 344/14, 04.07.2019

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 7/21.

Terminbericht

Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Die Ablehnung von Einstiegsgeld für die Aufnahme einer Arbeitsgelegenheit in der Entgeltvariante ist rechtmäßig. Das SGB II unterscheidet grundsätzlich zwischen Arbeitsgelegenheiten einerseits und Erwerbstätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt andererseits. Diese systematische Trennung würde unterlaufen, wenn eine Arbeitsgelegenheit zugleich als Erwerbstätigkeit zur Eingliederung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt anzusehen wäre und zu einer (weiteren) Förderung führen könnte. Bei einer Arbeitsgelegenheit handelt es sich zudem um eine seitens des Beklagten "angebotene" Beschäftigung im Sinne von § 2 Abs 1 Satz 3 SGB II und nicht um eine durch aktive Bemühungen des Hilfebedürftigen zustande gekommene Beschäftigung. In dieser Konstellation könnte das Einstiegsgeld die ihm nach Sinn und Zweck zukommende Anreizfunktion nur eingeschränkt erfüllen. Die Anspruchsvoraussetzungen für das Einstiegsgeld müssen sich im Übrigen unmittelbar auf die konkret beabsichtigte Beschäftigung beziehen, was sich aus dem Gesetzeswortlaut ("bei Aufnahme") ergibt. Eine Förderung mit dem Einstiegsgeld als "Zwischenschritt" zur Eingliederung in nachfolgende Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt kommt damit ebenfalls nicht in Betracht.

Auf die Frage, ob aufgrund der nach § 27 Abs 3 Nr 5 b) SGB III bestehenden Versicherungsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung schon keine "sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit" vorliegt, wie es § 16b Abs 1 Satz 1 SGB II aF verlangt, kommt es vor diesem Hintergrund nicht an.

Die Berichte zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 7/21.

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Wir verwenden ausschließlich Sitzungs-Cookies, die für die einwandfreie Funktion unserer Webseite erforderlich sind. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir diese Cookies einsetzen. Unsere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den Link Datenschutz.

OK