Bundessozialgericht

Verhandlung B 2 U 17/19 R - ohne mündliche Verhandlung

Unfallversicherung - Berufskrankheit - durch Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippenfells, des Bauchfells oder des Pericards - Feststellungsinteresse - Gesamtrechtsnachfolger

Verhandlungstermin 16.03.2021 00:00 Uhr

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1) Z. S., 2) A. B., 3) I. S., 4) B. S., 5) A. S. ./. BG der Bauwirtschaft, beigeladen: BG Holz und Metall
Die Klägerinnen und Kläger sind die Witwe und Kinder des während des Klageverfahrens verstorbenen A.S. Sie begehren als dessen Gesamtrechtsnachfolger die Feststellung, dass bei diesem eine Berufskrankheit (BK) nach Nr 4105 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV: "durch Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippenfells, des Bauchfells oder des Pericards") vorlag.

Der 1960 geborene A.S. wuchs in der türkischen Provinz S. auf. Nach seiner Übersiedelung nach Deutschland 1981 übte er verschiedene Tätigkeiten aus und war ua bei einer Werft mit Maler- und Sandstrahlarbeiten im Schiffsbau und als Facharbeiter für Oberflächentechnik beschäftigt. Im Juni 2015 erstattete eine Ärztin nach der Verdachtsdiagnose eines malignen epitheloiden Mesothelioms Anzeige wegen einer BK 4105. AS sei als Maler und Lackierer Asbest ausgesetzt gewesen. Die Beklagte nahm daraufhin Ermittlungen bei den früheren Arbeitgebern auf und stellte im September 2015 fest, dass bei A.S. keine BK 4105 und auch keine Ansprüche auf Leistungen bestünden. Eine Asbestbelastung lasse sich nicht im Vollbeweis sichern. Hiergegen hat A.S. 2016 Klage zum SG erhoben. Nach Klageerhebung ist er am 21.09.2016 infolge eines tumortoxischen Herzkreislaufversagens bei Pleuramesotheliom verstorben. Der Prozessbevollmächtigte des A.S. hat erklärt, dass das Verfahren mit dem Ziel der Feststellung einer BK 4105 beim Verstorbenen nunmehr für seine Witwe, die Klägerin zu 1), als Sonderrechtsnachfolgerin iS des § 56 SGB I fortgesetzt werde. Das SG hat die Klage der Klägerin zu 1) sodann als unbegründet abgewiesen.

Hiergegen hat zunächst die Klägerin zu 1) Berufung eingelegt. Nach Hinweis des LSG, dass vorliegend keine Sonderrechtsnachfolge eingetreten sei und dass neben der Klägerin zu 1) die Klägerinnen und Kläger zu 2) bis 5) als Kinder Gesamtrechtsnachfolger geworden seien, haben auch diese Berufung eingelegt. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Das SG habe die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Allerdings fehle den in den Rechtsstreit als Gesamtrechtsnachfolger (§ 58 Satz 1 SGB I iVm §§ 1922 ff des Bürgerlichen Gesetzbuchs) eingetretenen Klägerinnen und Kläger zu 1) bis 5) bereits die erforderliche Klagebefugnis, weil eine Verletzung subjektiver Rechte für sie nicht in Betracht käme. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung durch A.S. habe ein Feststellungsinteresse betreffend eine BK 4105 bestanden, weil er aus einer für ihn positiven Entscheidung trotz der wegen der auf die Feststellung beschränkten Klage eingetretenen Bestandskraft (§ 77 SGG) der pauschalen Leistungsablehnung durch die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden auf dem Weg über das Zugunstenverfahren nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X Ansprüche auf Geld- und auf Dienst- und Sachleistungen hätte geltend machen können. Dies gelte allerdings nicht für die Klägerinnen und Kläger, die aus einer für sie positiven feststellenden Entscheidung keine Rechte herleiten könnten. Ansprüche auf Geldleistungen kämen vorliegend nicht in Betracht, weil nach § 59 Satz 2 SGB I zum Zeitpunkt des Todes des A.S. keinerlei Ansprüche auf Geldleistungen festgestellt und auch kein Verwaltungsverfahren (§ 8 SGB X) über sie anhängig gewesen sei. Die pauschale Ablehnung von Leistungen im zweiten Verfügungssatz des Bescheids der Beklagten sei bestandskräftig geworden, weil im Klageverfahren lediglich die Feststellung des Bestehens einer BK 4105 unter Aufhebung des ersten Verfügungssatzes des Bescheids beantragt worden sei. Insoweit sei das anhängig gewesene Verwaltungsverfahren also bereits vor dem Tod des A.S. beendet gewesen. Die Möglichkeit des Wiederaufgreifens der bestandskräftigen Ablehnungsentscheidung im Erfolgsfall im Zugunstenverfahren nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X stehe einem Erlöschen etwaiger Ansprüche auf Geldleistungen nach § 59 Satz 2 SGB I nicht entgegen. Zwar hätten verschiedene Senate des BSG die Auffassung vertreten, dass bei der Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakts nach § 44 Abs 1 Satz 1 oder Abs 2 Satz 2 SGB X auf Antrag eines Sonderrechtsnachfolgers mit Wirkung für die Vergangenheit das Verwaltungsverfahren als rückwirkend anhängig iS von § 59 Satz 2 SGB I gelten solle. Das LSG folge allerdings der Literatur, die dem BSG mit gewichtigen Argumenten entgegen getreten sei. § 59 Satz 2 SGB I ermächtige Rechtsnachfolger nur zur Fortsetzung eines in diesem Zeitpunkt anhängigen (Leistungs-) Verfahrens und zur Entgegennahme festgestellter Leistungen; zur Initiierung eines Korrekturverfahrens berechtige das Gesetz weder Sonderrechtsnachfolger noch Erben nach bürgerlichem Recht. Ein einmal erloschener Anspruch könne nicht wegen eines nach diesem Zeitpunkt gestellten Überprüfungsantrags wieder entstehen.

Hiergegen wenden sich die Klägerinnen und Kläger mit ihrer Revision. Sie rügen eine Verletzung der §§ 44 Abs 1 SGB X, 59 SGB I und 55 SGG.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Hamburg - S 36 U 11/16, 23.08.2018
Landessozialgericht Hamburg - L 2 U 40/18, 04.12.2019

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Terminbericht

Die Urteile, die ohne mündliche Verhandlung ergehen, werden nicht in der Sitzung verkündet. Sofern die Ergebnisse von allgemeinem Interesse sind, erscheint ein Nachtrag zum Terminbericht nach Zustellung der Urteile an die Beteiligten.

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