Bundessozialgericht

Verhandlung B 1 KR 25/20 R

Krankenversicherung - Kostenerstattung - stationäre Liposuktion

Verhandlungstermin 25.03.2021 11:00 Uhr

Terminvorschau

N. P. ./. AOK Bayern - Die Gesundheitskasse
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten zweier stationärer Liposuktionen (Fettabsaugungen).

Die bei der beklagten Krankenkasse versicherte, 1997 geborene Klägerin beantragte am 29.4.2016 befundgestützt die Versorgung mit zwei stationären Liposuktionen der Beine und Oberarme. Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK), informierte die Klägerin hierüber (Schreiben vom 29.4.2016) und lehnte den Antrag nach negativer MDK-Stellungnahme ab (Bescheid vom 19.5.2016; Bekanntgabe am 21.5.2016; Widerspruchsbescheid vom 7.10.2016). Während des Widerspruchsverfahrens erfolgte die erste stationäre Liposuktion, im Klageverfahren die zweite. Die Klägerin hat dafür Kostenerstattung von insgesamt 9384,68 Euro begehrt.

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 20.6.2017). Das LSG hat unter Bezugnahme auf das Urteil des erkennenden Senats vom 24.4.2018 (B 1 KR 13/16 R - BSGE 125, 262 = SozR 4-2500 § 137e Nr 1) die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 27.11.2018). Die Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruchs nach § 13 Abs 3 SGB V seien nicht erfüllt. Stationäre Liposuktionen gehörten nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung; sie erfüllten das auch für den Anspruch auf Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V geltende Qualitätsgebot des § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V nicht. § 137c Abs 3 SGB V senke das Qualitätsgebot nicht ab. Auch aus § 2 Abs 1a und § 13 Abs 3a Satz 7 SGB V ergebe sich kein Kostenerstattungsanspruch.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 137c Abs 3 Satz 1 SGB V und des Art 3 Abs 1 GG.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Würzburg - S 6 KR 541/16, 20.06.2017
Bayerisches Landessozialgericht - L 20 KR 525/17, 27.11.2018

Die Vorschau zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 14/21.

Terminbericht

Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung erfolgreich gewesen. Der Senat konnte aufgrund der vom LSG getroffenen Feststellungen nicht abschließend darüber entscheiden, ob der Klägerin ein Anspruch auf die stationär durchgeführten Liposuktionen zustand. Der Anspruch scheitert nicht schon daran, dass die Liposuktionen im maßgeblichen Zeitpunkt der Behandlung nicht den Anforderungen an das allgemeine Qualitätsgebot des § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V entsprachen. Soweit der Senat außerhalb von Erprobungsrichtlinien für den Anspruch Versicherter auf Krankenhausbehandlungen auch nach Inkrafttreten des § 137c Abs 3 SGB V an seiner Rechtsprechung festgehalten hat, dass für die dabei eingesetzten Methoden der volle Nutzennachweis im Sinne eines evidenzgestützten Konsenses der großen Mehrheit der einschlägigen Fachleute erforderlich ist (vgl BSG vom 24.4.2018 - B 1 KR 13/16 R - BSGE 125, 262 = SozR 4-2500 § 137e Nr 1; zuletzt BSG vom 8.10.2019 - B 1 KR 3/19 R - BSGE 129, 171-186, SozR 4-2500 § 2 Nr 14), gibt er seine Rechtsprechung auf. § 137c Abs 3 SGB V beinhaltet eine partielle Einschränkung des allgemeinen Qualitätsgebots. Dies folgt aus dem Wortlaut der Regelung und der Normgeschichte des § 137c SGB V unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien. Die Regelung ist jedoch mit Blick auf das Qualitätsgebot, an dem sich auch § 137c SGB V insgesamt ausrichtet und das nicht nur der Wirtschaftlichkeit, sondern auch und gerade dem Schutz der Versicherten vor vermeidbaren Gesundheitsgefährdungen dient, restriktiv auszulegen. Versicherte haben vor Erlass einer Erprobungsrichtlinie Anspruch auf die Versorgung mit Potentialleistungen nur im Rahmen eines individuellen Heilversuchs, wenn es 1. um eine schwerwiegende, die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung geht, wenn 2. keine andere Standardbehandlung verfügbar ist und wenn 3. die einschlägigen Regelungen der Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses für die Annahme des Potentials einer erforderlichen Behandlungsalternative erfüllt sind.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 14/21.

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