Bundessozialgericht

Verhandlung B 12 KR 25/19 R

Sozialversicherungspflicht - Sozialversicherungsfreiheit - Ehrenbeamter auf Zeit - Ortsvorsteher - abhängige Beschäftigung

Verhandlungstermin 27.04.2021 15:00 Uhr

Terminvorschau

Stadt T. ./. Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland, beigeladen: 1. G. H., 2. F. T., 3. F. W., 4. Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, 5. Techniker Krankenkasse, 6. IKK classic
Die Beigeladenen zu 1. bis 3. waren 2002 bis 2005 (teilweise nacheinander) Ortsvorsteher zweier Ortschaften der klagenden Stadt. Sie waren in dieser Funktion Verbindungsglied zwischen Ortsbürgern und Stadtverwaltung sowie Vorsitzende des jeweiligen Ortschaftsrats. Sie erhielten ein Viertel der einem ehrenamtlichen Bürgermeister einer Gemeinde mit vergleichbarer Einwohnerzahl zustehenden Aufwandsentschädigung, monatlich zwischen 221,25 Euro und 249,25 Euro. Die beklagte Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland forderte von der Klägerin wegen geringfügiger Beschäftigungen der Beigeladenen nach einer Betriebsprüfung Pauschalbeiträge von rund 1380 Euro. Dabei ließ sie monatlich 154 Euro je Beigeladenen beitragsfrei.

Das SG hat den angefochtenen Betriebsprüfungs- und Widerspruchsbescheid aufgehoben, die Berufung ist erfolglos geblieben. Die Beigeladenen seien nicht abhängig beschäftigt gewesen. Sie hätten Repräsentationsaufgaben wahrgenommen und nur in ihrer organschaftlichen Stellung Verwaltungsaufgaben übernommen. Ihre Tätigkeit habe hauptsächlich darin bestanden, die rechtsfähige Organisation Ortschaftsrat durch Zuordnung rechtsverbindlichen menschlichen Verhaltens handlungsfähig zu machen. Die Aufwandsentschädigung habe nur den durch das Amt verursachten erhöhten persönlichen Aufwand abdecken und die Funktion der kommunalen Selbstverwaltung gewährleisten sollen.

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 7 SGB IV. Weder das Rechtsverhältnis als Ehrenbeamter noch die Organstellung schließe eine abhängige Beschäftigung aus. Die Rechtsprechung des BSG zum Kreishandwerkermeister (BSG Urteil vom 16.8.2017 - B 12 KR 14/16 R - BSGE 124, 37 = SozR 4-2400 § 7 Nr 31) sei nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Chemnitz - S 10 KR 158/08, 13.06.2013
Sächsisches Landessozialgericht - L 2 KR 262/13, 21.02.2019

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 16/21.

Terminbericht

Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg gehabt. Die klagende Stadt ist nicht verpflichtet, Pauschalbeiträge für die Tätigkeit der beigeladenen Ortsvorsteher zu zahlen. Sie waren weder weisungsgebunden noch in die Verwaltungsabläufe der Klägerin eingegliedert und damit nicht beschäftigt. Bei der Statuszuordnung kommt der Ausgestaltung der Organstellung als Ortsvorsteher durch das Landeskommunalrecht, das Satzungsrecht der Gemeinde und die Vereinbarungen zur Eingemeindung der Ortsteile maßgebende Bedeutung zu. Sie übten im Wesentlichen Aufgaben als Vorsitzende des Ortschaftsrats aus und waren Bindeglied zwischen den Bürgern und dem Ortschaftsrat bzw der Stadtverwaltung. Die gesetzlich vorgesehene Weisungsbefugnis der Bürgermeisterin bei rechtswidrigen Beschlüssen des Ortschaftsrats und Eilentscheidungen ist Ausfluss der organschaftlichen Stellung als Ehrenbeamte und deren Bindung an Recht und Gesetz, ohne das Gesamtbild der Tätigkeit zu prägen. Auch ihre Stellung als Vertreter der Bürgermeisterin nahm keinen die Tätigkeit der Ortsvorsteher prägenden Raum ein. Eine Eingliederung in die Verwaltungsstruktur der Klägern lag nicht vor.

Zudem war die Tätigkeit der Ortsvorsteher nicht objektiv von einer Erwerbsabsicht, sondern von ideellen und unentgeltlichen Zwecken geprägt. Die gezahlte Aufwandsentschädigung deckte den gesamten mit der Tätigkeit verbundenen Aufwand ab. Ihr Umfang legt eine Vergütung nicht nahe. Sie orientierte sich - reduziert auf ein Viertel - an den für ehrenamtliche Bürgermeister gezahlten Pauschalen und blieb damit unter dem steuerrechtlich als Ersatz tatsächlich entstandener Kosten ohne Nachweis zu berücksichtigenden Drittel der Einkünfte aus vergleichbaren Tätigkeiten. Über den steuerfreien Mindestbetrag von 154 Euro gingen sie in nur so geringem Umfang hinaus, dass an einer auch sozialversicherungsrechtlich ehrenamtlichen Tätigkeit keine Zweifel bestehen.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 16/21.

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