Bundessozialgericht

Verhandlung B 9 V 1/20 R

Opferentschädigung - Berufsschadensausgleich - private Unfallrente

Verhandlungstermin 10.06.2021 10:00 Uhr

Terminvorschau

M. M. ./. Kommunaler Sozialverband Sachsen
Die 1950 geborene Klägerin war als kaufmännische Sachbearbeiterin in Vollzeit beschäftigt. Am Neujahrsmorgen 2010 wurde sie Opfer einer Gewalttat. Sie erlitt bleibende Kopfverletzungen nach Schädel-Hirn-Trauma. Der Beklagte gewährte deshalb Grundrente nach dem Opferentschädigungsgesetz iVm Bundesversorgungsgesetz (BVG), zuletzt mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 50 unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit. Für den schädigungsbedingten Einkommensverlust erhielt die Klägerin zudem Berufsschadensausgleich. Ab Mai 2013 berücksichtigte der Beklagte beim Berufsschadensausgleich als anzurechnendes Einkommen eine Unfallrente aus einer privaten Unfallversicherung, die der Ehemann als Versicherungsnehmer für die Klägerin als Versicherte abgeschlossen hatte. Anders als das SG hat das LSG der dagegen gerichteten Klage stattgegeben. Für die Berücksichtigung der privaten Unfallrente in Höhe von monatlich 990 Euro beim Berufsschadensausgleich fehle es an einer Rechtsgrundlage.

Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine Verletzung von § 30 BVG iVm § 8 Berufsschadensausgleichsverordnung (BSchAV). Die private Unfallrente sei eine anrechnungsfähige Einnahme der Klägerin aus Vermögen, das mit Einkünften aus ihrer früheren Erwerbstätigkeit geschaffen worden sei, um den Lebensunterhalt für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu sichern (§ 8 Abs 2 Nr 3 BSchAV).

Vorinstanzen:
Sozialgericht Dresden - S 39 VE 25/14, 09.03.2017
Sächsisches Landessozialgericht - L 9 VE 7/17, 09.12.2019

Die Vorschau zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 24/21.

Terminbericht

Die Revision des Beklagten hatte keinen Erfolg. Die Klägerin hat Anspruch auf ungekürzten Berufsschadensausgleich. Die private Unfallrente kann nicht als anrechenbares Einkommen bei der Feststellung der Höhe des Berufsschadensausgleichs berücksichtigt werden.

Die private Unfallrente gehört nicht zu den "Einnahmen, aus Vermögen, das Beschädigte mit Einkünften aus einer Erwerbstätigkeit geschaffen haben, um sich nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben den Lebensunterhalt zu sichern" (§ 8 Abs 2 Nr 3 BSchAV). Es fehlt schon an der einschränkenden Voraussetzung, dass es sich um Vermögen handeln muss, das der Beschädigte mit Einkünften aus Erwerbstätigkeit geschaffen hat. Die Klägerin hat die Prämien (Beiträge) für die private Unfallversicherung an den Versicherer nicht (weder ganz noch teilweise) aus dem Einkommen aus ihrer früheren Erwerbstätigkeit getragen oder gezahlt. Getragen und gezahlt hat die Versicherungsbeiträge allein ihr Ehemann als Versicherungsnehmer ohne Bezug zum Erwerbseinkommen der Klägerin und ohne gesetzliche Verpflichtung im Rahmen eines Versicherungsvertrages zugunsten Dritter (§ 328 Abs 1 BGB). Die private Unfallrente der Klägerin fällt auch unter keines der anderen Regelbeispiele in § 8 Abs 2 BSchAV. Die private Unfallrente gehört schließlich auch nicht zu den "Einnahmen in Geld oder Geldeswert aus einer früheren oder gegenwärtigen unselbstständigen Tätigkeit" (§ 8 Abs 1 Satz 1 Nr 1 BSchAV). Denn auch dann spricht der den Berufsschadensausgleich prägende Maßstab der "eigenen Arbeitsleistung" dafür, dass Einnahmen nicht als derzeitiges Bruttoeinkommen in Betracht kommen, wenn es sich um Erträge eines nicht durch eigene Arbeit geschaffenen Vermögens oder Vermögensgegenstandes handelt.

Die Berichte zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 24/21.

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