Bundessozialgericht

Verhandlung B 7 AY 2/20 R

Asylbewerberleistungsrecht - Analogleistungen - Überprüfungsantrag - Ausreise - Hilfebedürftigkeit 

Verhandlungstermin 24.06.2021 12:15 Uhr

Terminvorschau

L. ./.  Landeshauptstadt Dresden
Der Kläger ist pakistanischer Staatsangehöriger. Bei Asylantragstellung im Jahr 2003 gab er einen falschen Namen und einen falschen Geburtsort an und wirkte nach negativem Abschluss des Asylverfahrens im Jahr 2006 nicht an der Passbeschaffung mit. Seit 2010 verfügte er nach der Geburt seiner deutschen Tochter über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 5 AufenthG. 2012 beantragte er im Wege des Überprüfungsantrags die Gewährung höherer Leistungen nach dem AsylbLG (sog Analogleistungen) für die Zeit vom 18.8.2009 bis zum 27.6.2011. Die Beklagte lehnte dies ab. Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, dass die Klage mit der dauerhaften Ausreise des Klägers nach Pakistan im Jahr 2015 unzulässig geworden sei. Sie sei darüber hinaus unbegründet, weil der Kläger die Dauer seines Aufenthalts rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst habe und es an dem im Anwendungsbereich des § 44 SGB X (analog) geltenden Erfordernis einer durchgehenden Hilfebedürftigkeit bis zum Schluss der letzten Tatsacheninstanz fehle. Auf die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den dauerhaften Ausschluss von Analogleistungen im Falle des Klägers, dessen Aufenthalt sich seit Geburt der Tochter nicht mehr als kurzfristig dargestellt habe, komme es damit nicht an.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Dresden -S 54 AY 15/12, 06.05.2014
Sächsisches Landessozialgericht - L 8 AY 5/14 R, 26.02.2020

Die Vorschau zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 25/21.

Terminbericht

Der Senat hat das Urteil des LSG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen, soweit der Rechtsstreit die Zeit vom 1.1.2011 bis zum 27.6.2011 betrifft. Im Übrigen hat der Senat die Revision zurückgewiesen. Die Ausreise des Klägers steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Für Zeiten vor dem 1.1.2011 ist aber die für Überprüfungsanträge maßgebliche Jahresfrist (analog § 116a in der seit dem 1.4.2011 geltenden Fassung) nicht gewahrt. Für die Zeit ab 1.1.2011 hat der Kläger keinen Anspruch auf Analogleistungen, weil er die Dauer seines Aufenthalts durch sein Verhalten bei Asylantragstellung und in der Folgezeit vorsätzlich und rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst hat. Zwar bestehen verfassungsrechtliche Bedenken, ob einem Ausländer, der ein Bleiberecht wegen der Ausübung des Sorgerechts im Inland für Kinder mit deutscher Staatsangehörigkeit hat, rechtsmissbräuchliches Verhalten aus früheren Zeiten dauerhaft entgegengehalten werden kann. Hier ist die Ablehnung von Analogleistungen aber vor dem 31.7.2012 bestandskräftig geworden. Eine ggf vorliegende Verkürzung des Rechts auf ein menschenwürdiges Existenzminimum ist nach der Entscheidung des BVerfG vom 18.7.2012 bis zu diesem Zeitpunkt übergangsweise hinzunehmen. Für spätere Zeiträume haben die Beteiligten sich bereits verglichen.

Mangels Feststellungen des LSG insbesondere zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen kann der Senat jedoch nicht beurteilen, ob der Kläger ab 1.1.2011 Anspruch auf höhere Grundleistungen hat. Die frühere Rechtsprechung des Senats, wonach Leistungen für die Vergangenheit im Überprüfungswege nur zu gewähren waren, wenn zwischenzeitlich Hilfebedürftigkeit nicht entfallen war, steht einem Anspruch auf höhere Grundleistungen nicht entgegen. Für diese Rechtsprechung ist kein Raum mehr, seit der Gesetzgeber als Konkretisierung des Gegenwärtigkeitsprinzips mit der Jahresfrist für Überprüfungsanträge eine für alle Existenzsicherungssysteme einheitliche und nach Auffassung des Senats abschließende Regelung für die nachträgliche Leistungserbringung getroffen hat. Es ist auch kein Grund ersichtlich, im Anwendungsbereich des § 9 Abs 4 AsylbLG iVm § 44 SGB X einen fortbestehenden Aufenthalt des Leistungsberechtigten im Inland zu verlangen.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 25/21.

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