Bundessozialgericht

Verhandlung B 12 R 8/19 R

Sozialversicherungspflicht - Sozialversicherungsfreiheit - mitarbeitender Gesellschafter - Gesellschaftsvertrag - Geschäftsordnung

Verhandlungstermin 29.06.2021 12:00 Uhr

Terminvorschau

S. GmbH ./. Deutsche Rentenversicherung Bund, beigeladen: 1. C. S., 2. Bundesagentur für Arbeit, 3. AOK Rheinland/Hamburg - Die Gesundheitskasse, 4. Pflegekasse bei der AOK Rheinland/Hamburg - Die Gesundheitskasse
Der zu 1. beigeladene Gesellschafter der klagenden GmbH ist zur Hälfte an deren Stammkapital beteiligt. Ihm hatte der weitere zum Geschäftsführer bestellte Gesellschafter Generalhandlungsvollmacht erteilt. Gesellschafterbeschlüsse bedürfen der einfachen Mehrheit, bei Stimmengleichheit gilt ein Antrag als abgelehnt. Der Gesellschaftsvertrag sieht außerdem vor, dass der Geschäftsführer für über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehende Geschäfte der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedarf und insoweit eine Geschäftsordnung (GO) beschlossen werden kann. Die nicht notariell beurkundete GO von Dezember 2012 ordnet die vorherige Zustimmung der Gesellschafterversammlung zu allen Maßnahmen an, die in ungewöhnlichem Ausmaß in den Vermögensgegenstand, die Organisation oder den Charakter der GmbH eingreifen. Sie legt ua den Abschluss, die Änderung und die Beendigung von Anstellungsverträgen mit Gesellschaftern sowie die Wahrnehmung hieraus resultierender Rechte und Pflichten, insbesondere etwaiger Weisungsrechte aus Anstellungs- oder Dienstverträgen als Aufgabe der Gesellschafterversammlung und zustimmungsbedürftige Geschäftsführungsmaßnahme fest.

Der Beigeladene war bei der Klägerin in der Zeit vom 1.1.2013 bis zum 20.11.2016 als kaufmännischer Angestellter tätig. Die beklagte DRV Bund forderte von der Klägerin nach einer Betriebsprüfung Beiträge und Umlagen in Höhe von 57 908,40 Euro nach, weil der Beigeladene versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei. Das SG hat den Betriebsprüfungsbescheid aufgehoben, das LSG hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Ein mitarbeitender Gesellschafter, der nicht zum Geschäftsführer bestellt sei, unterliege grundsätzlich dessen Weisungsrecht, denn Dienstaufsicht und Weisungsrecht gegenüber Angestellten sei Teil der laufenden Geschäftsführung. Die außerhalb des Gesellschaftsvertrags beschlossene GO lege eine Zustimmungspflicht nur für Geschäfte mit hinreichender Relevanz für die Gesellschaft fest.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von §§ 2, 7, 7a, 28e, 28d SGB IV und §§ 37 Abs 1, 38, 45, 46 GmbHG. Das LSG habe den Regelungsinhalt der GO fehlerhaft teleologisch reduziert. Mit ihr sei nicht das Stimmverhalten ausgestaltet, sondern die Geschäftsführertätigkeit einem Zustimmungserfordernis unterworfen worden.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Köln - S 2 R 1226/17, 07.06.2018
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 8 BA 95/18, 05.12.2018

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 27/21.

Terminbericht

Die Revision der klagenden GmbH hat keinen Erfolg gehabt. Der beigeladene Gesellschafter war im streitigen Zeitraum als kaufmännischer Angestellter aufgrund Beschäftigung versicherungspflichtig. Angestellte und nicht zum Geschäftsführer bestellte Gesellschafter unterliegen den Weisungen der Geschäftsführung. Allein seine hälftige Beteiligung am Stammkapital ermöglichte dem Beigeladenen nicht, Weisungen an sich zu verhindern. Wegen der für einen Beschluss der Gesellschafterversammlung notwendigen Mehrheit der Stimmen aller Gesellschafter konnte er keinen, eine Weisung abwendenden Beschluss der Gesellschafterversammlung herbeiführen.

Regelungen außerhalb des Gesellschaftsvertrags sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nicht geeignet, die Rechtsmachtverhältnisse innerhalb der GmbH in sozialversicherungsrechtlich relevanter Weise zu verändern. Mit der Geschäftsordnung wurde schon mangels notarieller Form keine Änderung des Gesellschaftsvertrags herbeigeführt. Soweit sie den Gesellschaftsvertrag hinsichtlich der Zustimmungsbedürftigkeit von Geschäftsführungsmaßnahmen konkretisiert, bedürfen nach der den Senat bindenden Auslegung des LSG nur solche Handlungen der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung, die in außergewöhnlichem Maße in die Geschicke der Beklagten eingreifen. Die Möglichkeit der Abberufung des Geschäftsführers bei einem Verstoß gegen die Geschäftsordnung ändert daran nichts. Die dem Beigeladenen erteilte notariell beurkundete Generalhandlungsvollmacht ermöglichte ihm zwar die Vertretung der Klägerin nach außen, räumte ihm aber nicht eine besondere Rechtsmacht hinsichtlich seiner Weisungsunterworfenheit ein und war zudem widerruflich.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 27/21.

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