Bundessozialgericht

Verhandlung B 9 V 1/19 R

Soziales Entschädigungsrecht - Soldatenversorgung - Wehrdienstbeschädigung - geburtshilflicher Behandlungsfehler - ziviles Krankenhaus

Verhandlungstermin 30.09.2021 11:00 Uhr

Terminvorschau

Z. ./.  Bundesrepublik Deutschland, 1 Beigeladener
Der Kläger begehrt die Anerkennung von Schädigungsfolgen als Folge einer Wehrdienstbeschädigung durch Behandlungsfehler bei seiner Geburt und Versorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz.

Seine Mutter war während der Schwangerschaft Soldatin auf Zeit. Die ambulante und stationäre Schwangerschaftsbetreuung einschließlich der geburtshilflichen Behandlung erfolgte nicht durch Bundeswehrärzte, sondern auf Kosten der Bundeswehr durch zivile Ärzte. Daneben fand eine truppenärztliche Mitbetreuung statt. In deren Rahmen wurden der Mutter des Klägers wegen ihrer unsicheren gesundheitlichen Situation bei vorzeitiger Wehentätigkeit vorsorglich entsprechende Überweisungen mitgegeben.

Nachdem sich die Mutter des Klägers auf Anraten und Anmeldung des truppenärztlich hinzugezogenen behandelnden Gynäkologen in ein standortnahes Krankenhaus begeben hatte, wurde sie noch am selben Tag in das Krankenhaus des Beigeladenen verlegt, weil dieses über die notwendige Ausstattung für die drohende Frühgeburt verfügte. Dort kam es im September 2007 vorzeitig zur Geburt des Klägers. Nachgeburtlich entwickelte sich bei ihm eine Hirnblutung. Seitdem leidet er an Entwicklungsverzögerungen und cerebralen Anfällen.

Den Versorgungsantrag des Klägers wegen eines geburtshilflichen Behandlungsfehlers lehnte die Beklagte ab. Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Das LSG hat ausgeführt: Die geburtshilfliche Behandlung in dem zivilen Krankenhaus sei nicht der truppenärztlichen Versorgung zuzurechnen. Auch fehle es an einer Wehrdienstbeschädigung der Mutter des Klägers. Diese habe selbst keine gesundheitliche Schädigung durch die ärztliche Behandlung während des Geburtsvorgangs erlitten.

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, die geburtshilfliche Behandlung seiner Mutter sei den dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnissen zuzurechnen. Zudem bedeute die durch einen geburtshilflichen Behandlungsfehler verursachte Gesundheitsstörung des ungeborenen Kindes wegen der Einheit zwischen Mutter und Kind stets auch eine Gesundheitsstörung der Schwangeren.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Schleswig - S 14 VS 14/12, 02.06.2016
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht - L 2 VS 48/16, 29.03.2019

Die Vorschau zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 35/21.

Terminbericht

Die Revision des Klägers war im Sinne der Zurückverweisung erfolgreich. Der für das Versorgungsbegehren des Klägers allein in Betracht kommende § 81f SVG setzt eine Wehrdienstbeschädigung der Mutter voraus. Eine Schädigung allein des Kindes genügt nicht. Dies erschließt sich insbesondere aus seinem Wortlaut, seiner Entstehungsgeschichte und seiner systematischen Einbettung im SVG. Nach den Gesetzesmaterialien sollte mit der Regelung "ein eigenständiger Versorgungsschutz für das während der Schwangerschaft durch eine Wehrdienstbeschädigung der Mutter geschädigte Kind geschaffen" werden. Nach § 81 Abs 1 SVG ist eine Wehrdienstbeschädigung eine gesundheitliche Schädigung, die ua durch "die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse" herbeigeführt worden ist. Hierzu gehören auch die Besonderheiten der truppenärztlichen Versorgung. Die medizinische Behandlung der Mutter des Klägers während der Schwangerschaft und Geburt erfolgte im Rahmen der besonderen Umstände, unter denen die Bundeswehr schwangere Soldatinnen im Zuge der von ihr zu gewährleistenden freien Heilfürsorge versorgen lässt. Ihre stationäre und geburtshilfliche Behandlung im zivilen Krankenhaus der Beigeladenen ist wegen der vom Truppenarzt vorsorglich aufgrund vorzeitiger Wehentätigkeit ausgestellten Überweisungen und der dadurch erfolgten Übertragung auf zivile Krankenhausärzte der truppenärztlichen Versorgung zuzurechnen. Auf die stationäre und geburtshilfliche Versorgung hatte die Mutter des Klägers einen Anspruch, der von der Bundeswehr mangels eigener personeller und sächlicher gynäkologischer Kapazitäten zur Sicherstellung der truppenärztlichen Versorgung der schwangeren Soldatin nur durch Zivilärzte erfüllt werden konnte. Gesundheitsstörungen, die durch Handlungen eines in diesem Rahmen von einem Truppenarzt hinzugezogenen Zivilarztes verursacht worden sind, sind grundsätzlich geeignet, Wehrdienstbeschädigungen im Sinne des § 81 Abs 1 SVG zu begründen.

In Ermangelung ausreichender tatsächlicher Feststellungen des LSG kann der Senat aber nicht abschließend entscheiden, ob bei der Mutter des Klägers eine Wehrdienstbeschädigung wegen Fehlern bei der geburtsbehilflichen Behandlung vorliegt und ob der Kläger seinerseits hierdurch unmittelbar geschädigt wurde und die geltend gemachten Schädigungsfolgen hierauf beruhen.

Die Berichte zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 35/21.

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