Bundessozialgericht

Verhandlung B 7/14 AS 31/21 R

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Weiterbildungsprämie - gestreckte Abschlussprüfung

Verhandlungstermin 09.03.2022 13:30 Uhr

Terminvorschau

Z. ./. Jobcenter Duisburg
Streitig ist die Zahlung einer Weiterbildungsprämie für das Bestehen der fachtheoretischen Prüfung im Rahmen einer vom beklagten Jobcenter als Eingliederungsmaßnahme ab August 2016 geförderten Ausbildung zum Erzieher.

Dieser lag die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Berufskollegs des Landes Nordrhein-Westfalen (APO-BK) zugrunde. Der Kläger absolvierte zunächst einen vorwiegend fachtheoretischen Ausbildungsabschnitt, den er mit einer bestandenen Prüfung über das bis dahin erworbene Fachwissen im Juni 2018 abschloss. Alsdann folgte ein einjähriges Berufspraktikum. An dessen Ende stand der praktische Prüfungsteil des Fachschulexamens, nach dessen Bestehen im August 2019 der Beklagte dem Kläger eine Weiterbildungsprämie von 1500 EUR nach § 131a Abs 3 Nr 2 SGB III bewilligte. Die Bewilligung einer bereits nach der ersten Prüfung vom Kläger beantragten Weiterbildungsprämie - für eine bestandene "Zwischenprüfung" - lehnte der Beklagte ab. Die Ausbildung sei noch nicht nach dem fachtheoretischen Prüfungsteil des Fachschulexamens abgeschlossen gewesen, sondern erst nach dem praktischen Prüfungsteil.

Das SG ist der rechtlichen Bewertung des Beklagten nicht gefolgt und hat ihn verurteilt, dem Kläger weitere 1000 EUR als Prämie für die bestandene fachtheoretische Prüfung zu zahlen. Das LSG hat diese Entscheidung bestätigt. Es hat im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die vom Kläger im Rahmen seiner dreijährigen Ausbildung bestandene theoretische Prüfung einer Zwischenprüfung iS von § 131a Abs 3 Nr 1 SGB III entspreche. Insoweit bedürfe es einer analogen Anwendung der Regelungen zur betrieblichen Berufsbildung nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG). Dort werde der erste Teil einer gestreckten Abschlussprüfung einer Zwischenprüfung gleichgestellt. Da die Regelung des § 131a Abs 3 SGB III jedoch nicht auf eine betriebliche Berufsbildung beschränkt sei, könne für eine Ausbildung, die sich nicht nach dem BBiG richte, nichts anderes gelten, zumindest nicht bei einer mehrjährigen schulischen Berufsbildung. Es gehe in beiden Fällen im Ergebnis darum, einen erfolgreichen Abschluss zu fördern.

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Beklagte die Verletzung materiellen Rechts, weil § 131a Abs 3 Nr 1 SGB III nicht analog anzuwenden sei.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Duisburg - S 38 AS 3561/18, 17.02.2020
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 19 AS 466/20, 11.03.2021

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Terminbericht

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Der Kläger hat wegen des Bestehens der fachtheoretischen Prüfung auf dem Weg zum Berufsabschluss als Erzieher einen Anspruch auf eine Weiterbildungsprämie in Höhe von 1000 EUR nach § 16 Abs 1 SGB II iVm § 131a Abs 3 Nr 1 SGB III.

Die Weiterbildungsprämie nach § 131a Abs 3 SGB III ist Teil der dem Kläger bewilligten Leistungen nach § 16 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB II aF. Gemäß § 131a Abs 3 Nr 1 SGB III in der maßgeblichen Fassung erhalten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die an einer nach § 81 SGB III geförderten beruflichen Weiterbildung teilnehmen, die zu einem Abschluss in einem Ausbildungsberuf führt, für den nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren festgelegt ist, nach Bestehen einer in diesen Vorschriften geregelten Zwischenprüfung eine Prämie von 1000 Euro, wenn die Maßnahme vor Ablauf des 31.12.2020 beginnt. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, vorausgesetzt die bestandene Prüfung nach Abschluss des theoretischen Ausbildungsteils kann einer Zwischenprüfung gleichgestellt werden. Denn der Kläger kann nicht unmittelbar aus § 131a Abs 3 Nr 1 SGB III einen Zahlungsanspruch für sich ableiten, weil die Vorschrift für Weiterbildungsmaßnahmen gilt, die zu einem Berufsabschluss führen, der vom BBiG und vergleichbaren Vorschriften erfasst wird. Hierunter fällt die Fachschulausbildung des Klägers an einem Berufskolleg nicht.

Nach der Rechtsprechung des 11. Senats des BSG (BSG v. 3.11.2021 - B 11 AL 2/21 R, RdNr 15 ff) knüpfen die Begriffe "Zwischenprüfung" in § 131a Abs 3 Nr 1 SGB III ebenso wie "Abschlussprüfung" in dessen Nr 2, für die eine Weiterbildungsprämie von 1500 EUR vorgesehen ist, an die Terminologie des BBiG zur Berufsausbildung an. Daher stellt § 131a Abs 3 Nr 1 SGB III unmittelbar eine Anspruchsgrundlage nur für Zwischenprüfungen dar, die in den bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften über die Ausbildung für den jeweiligen Ausbildungsberuf geregelt sind. Eine derartige Zwischenprüfung hat der Kläger nicht abgelegt.

§ 131a Abs 3 Nr 1 SGB III ist hier jedoch wegen einer planwidrigen Regelungslücke entsprechend anzuwenden. Der Kläger hat den ersten Teil einer Abschlussprüfung bestanden, die im Rahmen einer mehrjährigen abschlussbezogenen Weiterbildung abzulegen war. Die Dauer der Maßnahme und der Zeitraum zwischen dem ersten und dem zweiten Teil der Abschlussprüfung gebieten eine Gleichstellung mit Fällen, in denen im Rahmen einer Ausbildung eine Zwischen- und eine Abschlussprüfung zu absolvieren sind bzw im Rahmen einer beruflichen Weiterbildung an einer Zwischenprüfung teilgenommen werden kann.

Eine Beschränkung allein auf betriebliche Berufsbildung ergibt sich aus den Vorschriften der §§ 81 ff SGB III nicht. Auch § 180 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Alt 1 SGB III, der Bedingungen für die Zulassung von Maßnahmen regelt, stellt allgemein auf die Vermittlung eines beruflichen Abschlusses ab. Im Gesetzgebungsverfahren maßgeblich für die Einführung des Förderinstruments der Weiterbildungsprämie bei Zwischenprüfungen war der erkannte Motivationsbedarf. Einen solchen gilt es jedoch in gleicher Weise für Weiterbildung in schulischer wie in betrieblicher Berufsbildung zu befriedigen. Unabhängig von den Regelungen des BBiG hat der Gesetzgeber zudem im Rahmen des § 131a Abs 3 Nr 1 SGB III das zusätzliche - qualifizierende - Erfordernis des Bestehens der (Zwischen-)Prüfung geregelt. Damit hat der Gesetzgeber diese von den niedrigschwelligen Anforderungen der Ausbildungsvorschriften an die Zwischenprüfung, die nicht bestanden worden sein muss, abgekoppelt und inhaltlich an die Vorgaben bei einem vorgezogenen (ersten) Teil einer in zwei Teile auseinanderfallenden Abschlussprüfung bei mehrjährigen abschlussbezogenen Weiterbildungsmaßnahmen angenähert.

Ausweislich der Materialien zum Ausbildungs- und Weiterbildungsstärkungsgesetz war insoweit sogar eine Gleichstellung intendiert. Der erste Teil einer in zwei Teilen zu absolvierenden Abschlussprüfung sollte wie eine Zwischenprüfung behandelt werden, ohne dass dies dann normativen Niederschlag gefunden hat. Erkennbar sollte damit der Kreis der durch eine Prämie gemäß § 131a Abs 3 Nr 1 SGB III Begünstigten mit der Chance auf einen erfolgreichen Abschluss durch die Weiterbildungsprämie vergrößert und nicht weiter eingeengt werden, wie es im vorliegenden Fall aus der Anwendung der Vorschrift durch den Beklagten folgen würde.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 7/22.

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