Bundessozialgericht

Verhandlung B 1 KR 20/21 R

Krankenversicherung - Kostenerstattung - stationäre Liposuktion

Verhandlungstermin 26.04.2022 14:30 Uhr

Terminvorschau

S. L. ./. BARMER
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten von vier stationären Liposuktionen (Fettabsaugungen) zur Behandlung des Lipödems der Klägerin.

Die bei der beklagten Krankenkasse versicherte, 1976 geborene Klägerin beantragte am 6.4.2018 befundgestützt (Lipödem Typ IV, Stadium II) die Versorgung mit vier stationären Liposuktionen im Bereich der Beine und der Oberarme. Die Beklagte lehnte den Antrag nach negativer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung ab (Bescheid vom 24.4.2018; Widerspruchsbescheid vom 26.9.2018). Während des Widerspruchsverfahrens erfolgte die erste stationäre Liposuktion (vom 20.8. bis 23.8.2018; Kosten: 3017 Euro), während des Klageverfahrens die zweite und die dritte (vom 3.12. bis 6.12.2018, vom 1.4. bis 4.4.2019; Kosten 3017 Euro und 3600 Euro). Das SG hat die auf Kostenerstattung und zukünftige Kostenübernahme gerichtete Klage abgewiesen. Während des Berufungsverfahrens erfolgte die vierte stationäre Liposuktion (vom 12.8. bis 15.8.2019; Kosten: 3858 Euro). Die Klägerin hat ua vorgetragen, sie leide unter einem Lipödem im Stadium III. Die Möglichkeiten der seit 1998 konsequent durchgeführten konservativen Therapie seien erfolglos ausgeschöpft. Die Erkrankung seit weiter fortgeschritten. Das LSG hat unter Bezugnahme auf Urteile des erkennenden Senats vom 24.4.2018 (B 1 KR 13/16 R - BSGE 125, 262 = SozR 4-2500 § 137e Nr 1; B 1 KR 10/17 R - BSGE 125, 283 = SozR 4-2500 § 137c Nr 10) die Berufung der Klägerin, mit der sie zuletzt die Erstattung von 13 492 Euro begehrt hatte, zurückgewiesen. Die Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruchs nach § 13 Abs 3 SGB V seien nicht erfüllt. Stationäre Liposuktionen gehörten nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung; sie erfüllten das auch für den Anspruch auf Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V geltende Qualitätsgebot des § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V nicht. § 137c Abs 3 SGB V senke das Qualitätsgebot nicht ab. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 19.9.2019, durch den die Anlage I der Richtlinie zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus (Methoden, die für die Versorgung im Krankenhaus erforderlich sind) geändert worden sei. Dort sei zwar als Nr 14 die "Liposuktion bei Lipödem im Stadium III" eingefügt worden. Die Regelung sei aber erst am 7.12.2019 ohne Rückwirkung in Kraft getreten.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 137c Abs 3 Satz 1 SGB V.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Trier - S 5 KR 199/18, 08.07.2019
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz - L 5 KR 145/19, 19.12.2019

Die Vorschau zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 16/22.

Terminbericht

Die Revision der Klägerin hatte im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung Erfolg. Der Senat konnte auf Grundlage der Feststellungen des LSG nicht entscheiden, ob die Klägerin Anspruch auf Erstattung der Kosten für die von ihr selbst beschafften vier stationären Liposuktionsbehandlungen hat.  

Versicherte haben auch nach Erlass einer Erprobungsrichtlinie Anspruch auf die Versorgung mit Potentialleistungen grundsätzlich nur im Rahmen eines individuellen Heilversuchs, wenn es 1. um eine schwerwiegende, die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung geht, wenn 2. keine andere Standardbehandlung verfügbar ist und wenn 3. die einschlägigen Regelungen der Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) für die Annahme des Potentials einer erforderlichen Behandlungsalternative erfüllt sind. Für nicht an der Erprobung teilnehmende Krankenhäuser kann der GBA nach § 137e Abs 2 Satz 3 SGB V ergänzende Anforderungen an die Qualität der Leistungserbringung regeln. Es handelt sich für diese Krankenhäuser um eine abschließende Regelungsermächtigung. Der GBA hat von ihr im Falle des Liposuktions-Erprobungsverfahrens keinen Gebrauch gemacht. Begrenzungen ergeben sich auch aus einer Erprobungsrichtlinie iVm § 137e Abs 2 Satz 1 und 2 SGB V und dem Studiendesign selbst. Sie gelten aber nur für an der Erprobung teilnehmende Krankenhäuser.

Das LSG hat seine Entscheidung noch an der vom Senat im März 2021 aufgegebenen Rechtsprechung zu § 137c Abs 3 SGB V ausgerichtet und deswegen zu den Voraussetzungen des Anspruchs auf Potentialleistungen keine Feststellungen getroffen. Diese hat es nunmehr nachzuholen.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 16/22.

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