Bundessozialgericht

Verhandlung B 12 R 3/20 R

Sozialversicherungspflicht - Sozialversicherungsfreiheit - Lehrerin - städtische Musikschule Honorarvertrag - Rahmenlehrpläne - Weisungsgebundenheit

Verhandlungstermin 28.06.2022 13:45 Uhr

Terminvorschau

Stadt Herrenberg ./. Deutsche Rentenversicherung Bund, beigeladen: 1. S. N., 2. DAK-Gesundheit, 3. DAK-Gesundheit-Pflegekasse
Die Beigeladene zu 1. erteilte in der Musikschule der klagenden Stadt seit Oktober 2000 Unterricht im Fach Klavier/Keyboard. Grundlage war ein zunächst unbefristeter "Honorarvertrag", der für die Zeit von September 2011 bis Juli 2015 durch jeweils das nächste Schuljahr umfassende jährliche “Honorarverträge" - unter Aussparung der Monate August 2013 und August 2014 - ersetzt wurde. Die Beigeladene erhielt ein festgelegtes Honorar pro Unterrichtsstunde. Sie hatte persönlich in den Räumen der Musikschule unter Nutzung der dort vorhandenen Klaviere/Keyboards auf der Basis der Rahmenlehrpläne des Verbandes der Musikschulen (VdM) zu unterrichten und sich dabei an den zeitlichen Vorgaben der Klägerin zu orientieren. Nach den Verträgen ab September 2011 war sie verpflichtet, mindestens einmal im Jahr Schülervorspiele durch Proben vorzubereiten und durchzuführen sowie jeweils zweimal im Jahr an Gesamtlehrer- und Fachbereichskonferenzen teilzunehmen. Hierfür erhielt sie eine gesonderte Vergütung.

Auf Antrag der Beigeladenen stellte die beklagte DRV Bund beginnend ab 4.10.2000 Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund abhängiger Beschäftigung fest. Das SG hat die Klage abgewiesen; das LSG hat dieses Urteil sowie den Bescheid der Beklagten aufgehoben und festgestellt, dass mangels Beschäftigungsverhältnis keine Versicherungspflicht bestanden habe. Bei den Vorgaben zu Zeit und Ort der Durchführung des Unterrichts handele es sich ebenso wie bei dem Lehrplanwerk des VdM lediglich um Rahmenvorgaben, eine Weisungsgebundenheit habe nicht bestanden. Aus der Verpflichtung zur Teilnahme an nur wenigen Konferenzen jährlich ergebe sich keine organisatorische Eingliederung.

Die Beigeladene rügt mit ihrer Revision eine Verletzung von § 7a SGB IV. Sie sei hinsichtlich Art, Ort und Inhalt des Musikunterrichts an die Weisungen der Klägerin gebunden gewesen und habe ihre Arbeitskraft wie festangestellte Lehrkräfte ohne nennenswerte Freiheiten in die vorgegebenen Organisationsabläufe sowie die Betriebsstruktur der Klägerin eingebracht. Bei den Vorbereitungen der Schüler auf ein gemeinschaftliches Musizieren habe sie arbeitsteilig mit anderen Lehrkräften zusammengearbeitet. Abgesehen von der Vertragsformulierung ergäben sich keine für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Anhaltspunkte.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Stuttgart - S 12 R 5098/15, 21.12.2017
Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 13 BA 582/18, 17.09.2019

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 25/22.

Terminbericht

Nachdem die Beigeladene ihre Revision auf die Zeit vom 4.10.2000 bis zum 31.7.2013, vom 1.9.2013 bis zum 31.7.2014 und vom 1.9.2014 bis zum 31.7.2015 begrenzt hat, ist sie für diese Zeiträume erfolgreich gewesen. Die Beigeladene unterlag in ihrer Tätigkeit als Musikschullehrerin für die Klägerin aufgrund abhängiger Beschäftigung der Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung. Die Tätigkeit war nicht nur durch die Pflicht zur persönlichen Arbeitsleistung in festgelegten Räumen gekennzeichnet, die Beigeladene war auch in prägender Weise in die Organisationsabläufe der Musikschule eingegliedert. Das Weisungsrecht verfeinerte sich dadurch - wie bei Hochqualifizierten oder Spezialisten (sog Dienste höherer Art) - zur "funktionsgerechten, dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess". Eine Dienstleistung kann fremdbestimmt sein, wenn sie ihr Gepräge von der Ordnung eines fremden Betriebes erhält. Rahmenvorgaben oder reduzierte Weisungsrechte sprechen in solchen Fällen erst dann für Selbständigkeit, wenn die Tätigkeit auch durch typische unternehmerische Freiheiten geprägt ist, die unternehmerisches Handeln mit entsprechenden Chancen und Risiken erlauben. Daran fehlte es vorliegend. Während die Klägerin die gesamte Organisation des Musikschulbetriebs in ihrer Hand hielt, die Räume und Instrumente kostenfrei zur Verfügung stellte und nach außen gegenüber den Schülern und Schülerinnen von der Anwerbung, über den Vertragsabschluss bis zur Abrechnung und Kündigung allein auftrat, sind unternehmerische Gestaltungsmöglichkeiten der Beigeladenen nicht ersichtlich. Diese hatte insbesondere weder die Möglichkeit, im Rahmen des Vertragsverhältnisses eigene Schülerinnen und Schüler zu akquirieren und auf eigene Rechnung zu unterrichten, noch konnte sie die geschuldete Lehrtätigkeit durch andere erbringen lassen.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 25/22.

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