Verhandlung B 1 KR 29/21 R
Krankenversicherung - Kostenerstattung - selbstbeschaffte stationäre Liposuktion
Verhandlungstermin
18.08.2022 10:00 Uhr
Terminvorschau
C. K. ./. Techniker Krankenkasse
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Kosten für im April und Oktober 2018 selbstbeschaffte stationäre Liposuktionen (Fettabsaugungen) der Oberschenkel.
Die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin beantragte am 14.9.2015 befundgestützt die stationäre Versorgung mit Liposuktionen im Bereich ua der Oberschenkel. Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit einer Stellungnahme und informierte die Klägerin hierüber (Schreiben vom 23.9.2015). Nach negativer MDK-Stellungnahme lehnte die Beklagte den Antrag ab (Bescheid vom 13.10.2015) und wies den Widerspruch zurück. Das SG hat die auf Versorgung der Klägerin mit den beantragten Liposuktionen gerichtete Klage abgewiesen. Während des Berufungsverfahrens hat die Klägerin Liposuktionen beider Oberschenkel vornehmen lassen (Kosten jeweils 4265,30 Euro zuzüglich 378,41 Euro bzw 371,99 Euro für Anästhesieleistungen für die erste und zweite Behandlung). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Ein Anspruch der Klägerin auf Kostenerstattung für die durchgeführten Liposuktionen der Oberschenkel folge nicht aus einer Genehmigungsfiktion, da die Beklagte den Antrag der Klägerin fristgerecht beschieden habe. Die Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruchs nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V seien nicht erfüllt. Stationäre Liposuktionen gehörten nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV); sie erfüllten das auch für den Anspruch auf Krankenhausbehandlung geltende Qualitätsgebot nicht. Die Voraussetzungen von § 2 Abs 1a SGB V lägen ebenfalls nicht vor. Offenbleiben könne, ob der Kostenerstattungsanspruch auch daran scheitere, dass es an einer ordnungsgemäßen Rechnung fehle.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 137c Abs 3 Satz 1 SGB V iVm § 39 SGB V iVm § 13 Abs 3 SGB V.
Vorinstanzen:
Sozialgericht Duisburg - S 17 KR 1152/17 WA, 13.11.2017
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 11 KR 830/17, 27.11.2019
Die Vorschau zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 31/22.
Terminbericht
Die Revision der Klägerin hatte im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung Erfolg. Der Senat konnte auf Grundlage der Feststellungen des LSG nicht entscheiden, ob die Klägerin Anspruch auf Erstattung der Kosten für die von ihr selbst beschafften stationären Liposuktionsbehandlungen hat. Es fehlt sowohl an ausreichenden Feststellungen zum Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs der Klägerin auf Versorgung mit Potentialleistungen als auch zur Wirksamkeit der Zahlungsverpflichtung, für die die Klägerin Kostenerstattung begehrt.
Der Senat hat am 26.4.2022 (B 1 KR 20/21 R) bereits entschieden, dass Versicherte auch nach Erlass einer Erprobungsrichtlinie Anspruch auf die Versorgung mit Potentialleistungen grundsätzlich nur im Rahmen eines individuellen Heilversuchs haben, wenn es 1. um eine schwerwiegende, die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung geht, wenn 2. keine andere Standardbehandlung verfügbar ist und wenn 3. die einschlägigen Regelungen der Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) für die Annahme des Potentials einer erforderlichen Behandlungsalternative erfüllt sind. Für nicht an der Erprobung teilnehmende Krankenhäuser kann der GBA nach § 137e Abs 2 Satz 3 SGB V ergänzende Anforderungen an die Qualität der Leistungserbringung regeln. Es handelt sich für diese Krankenhäuser um eine abschließende Regelungsermächtigung. Der GBA hat von ihr im Falle des Liposuktions-Erprobungsverfahrens im Zeitpunkt des hier maßgebenden Leistungsgeschehens keinen Gebrauch gemacht. Begrenzungen ergeben sich auch aus einer Erprobungsrichtlinie iVm § 137e Abs 2 Satz 1 und 2 SGB V und dem Studiendesign selbst. Sie gelten aber nur für an der Erprobung teilnehmende Krankenhäuser.
Das LSG hat seine Entscheidung noch an der vom Senat im März 2021 aufgegebenen Rechtsprechung zu § 137c Abs 3 SGB V ausgerichtet und deswegen zu den Voraussetzungen des Anspruchs auf Potentialleistungen keine Feststellungen getroffen. Auch fehlen bislang ausreichende Feststellungen zu den Einzelheiten der geschlossenen Verträge und der erteilten Rechnungen.
Die Berichte zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 31/22.