Bundessozialgericht

Verhandlung B 12 KR 16/20 R

Sozialversicherungspflicht - Sozialversicherungsfreiheit - mitarbeitender Gesellschafter - GmbH - selbstständige Tätigkeit - Gesellschafterversammlung - Verhinderungsrechtsmacht - Gestaltungsrechtsmacht

Verhandlungstermin 13.12.2022 13:20 Uhr

Terminvorschau

H. K. ./. Deutsche Rentenversicherung Bund, beigeladen: 1. G. GmbH, 2. BARMER, 3. BARMER - Pflegekasse, 4. Bundesagentur für Arbeit
Der Kläger und sein Bruder sind seit 29.1.2007 als Gesellschafter zu je 50 vH an der beigeladenen GmbH beteiligt. Der Kläger hat dieser ein Darlehen in Höhe von ca 175 000 Euro gewährt und selbstschuldnerische Bürgschaften zur Sicherung weiterer Kredite übernommen. Als Betriebsleiter in den Bereichen Einkauf und Logistik hat er weitgehende Handlungsvollmacht, aber keine Prokura. Er erhält ein monatliches Gehalt von 5500 Euro brutto sowie eine jährliche Gewinnbeteiligung. Sein Bruder ist seit 1996 alleiniger Geschäftsführer. § 5 Abs 4 des Gesellschaftsvertrags der Beigeladenen (GV) bestimmt hinsichtlich Verträgen mit Gesellschaftern zur Mitarbeit in der Gesellschaft, dass die Regelung sämtlicher aus diesen Verträgen resultierender Folgen ausschließlich der Gesellschafterversammlung obliege, wobei der betroffene Gesellschafter stimmberechtigt bleibe.

Im Statusfeststellungsverfahren stellte die beklagte DRV Bund fest, dass der Kläger seit dem 29.1.2007 aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, nach dem Recht der Arbeitsförderung und in der sozialen Pflegeversicherung (sPV) unterliege. Das SG hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und das Nichtbestehen der Sozialversicherungspflicht festgestellt. Das LSG hat das Urteil des SG geändert. Nur der ergänzende Bescheid der Beklagten zur Versicherungspflicht in der sPV sei aufzuheben. Der hälftige Geschäftsanteil an der Beigeladenen in Kombination mit der Bestimmung des § 5 Abs 4 GV versetze den Kläger zwar in die Lage, ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner konkreten Tätigkeit abzuwehren. Diese "Verhinderungsmacht" genüge jedoch zur Annahme von Selbstständigkeit nicht. Es fehle mit Blick auf die Unternehmensführung an der erforderlichen Gestaltungsrechtsmacht.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von §§ 2, 7 SGB IV. Das Gesetz fordere keine "Gestaltungsrechtsmacht". Der Kläger sei bereits aufgrund seiner Sperrparität in der Gesellschafterversammlung selbstständig, weil nach dem GV die Weisungsrechte gegenüber mitarbeitenden Gesellschaftern der Gesellschafterversammlung zugewiesen seien. Darüber hinaus rügt der Kläger eine unzureichende Sachverhaltsaufklärung und Tatsachenfeststellung durch das LSG, das trotz Antrags vorgelegte Betriebsprüfungsbescheide nicht berücksichtigt habe. Die Beklagte hat in ihrer Revisionserwiderung ergänzend festgestellt, dass keine Versicherungspflicht in der sPV bestehe.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Schleswig - S 11 KR 20/14, 22.11.2016
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht - L 5 KR 66/17, 26.08.2020

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 50/22.

Terminbericht

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg gehabt. Er ist als Betriebsleiter der beigeladenen GmbH aufgrund Beschäftigung in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig. Es kann dahinstehen, ob § 5 Abs 4 des Gesellschaftsvertrags hinreichend bestimmt auch das Weisungsrecht umfasst und dem Grundsatz der Klarheit und Vorhersehbarkeit sozialversicherungsrechtlicher Tatbestände genügt. Selbst wenn damit die gesamte Personalhoheit über den Kläger der Gesellschafterversammlung übertragen worden wäre und er damit Weisungen an sich selbst abwenden könnte, schließt allein diese Verhinderungsmacht die abhängige Beschäftigung nicht aus. Auch bei der Statusbeurteilung eines Gesellschafter-Geschäftsführers kommt es nicht allein auf dessen Weisungsfreiheit im eigenen Tätigkeitsbereich an. Vielmehr muss dieser auch in der Lage sein, auf die Ausrichtung der Geschäftstätigkeit des Unternehmens insgesamt Einfluss zu nehmen und damit die GmbH wie ein Unternehmensinhaber zu lenken. Andernfalls ist er nicht im "eigenen" Unternehmen tätig, sondern in funktionsgerecht dienender Weise in die GmbH als seine Arbeitgeberin eingegliedert. Dies gilt auch für mitarbeitende, nicht zum Geschäftsführer bestellte Gesellschafter. Der Kläger hat nur ein begrenztes Tätigkeitsfeld (Einkauf und Logistik) und kann aufgrund seiner hälftigen Beteiligung am Stammkapital auch keinen maßgeblichen Einfluss auf die durch seinen Bruder ausgeübte Geschäftsführertätigkeit ausüben. Dass aufgrund familiärer Beziehungen faktisch eine gleichberechtigte Geschäftsführung des Unternehmens gelebt wird, ist für die Statusbeurteilung unerheblich. Auch aus der Übernahme der Bürgschaften und der Darlehensgewährung ergibt sich kein anderes Ergebnis. Die Aufklärungsrüge des Klägers hat schon mangels ausreichender Substantiierung keinen Erfolg gehabt.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 50/22.

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