Bundessozialgericht

Verhandlung B 4 AS 2/22 R

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Regelbedarf - gemischte Bedarfsgemeinschaft - Leistungsbezug nach dem Asylbewerberleistungsgesetz

Verhandlungstermin 15.02.2023 10:30 Uhr

Terminvorschau

S.K. ./. Jobcenter Berlin Lichtenberg
Die Klägerin bezog seit August 2015 zusammen mit ihren vier minderjährigen Kindern Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II. Ende Januar 2017 zog der Ehemann der Klägerin, der Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Höhe von 318 Euro monatlich erhielt, zu ihr in die Wohnung. Der Beklagte hob daraufhin den Bewilligungsbescheid auf und bewilligte der Klägerin nur noch Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 2 in Höhe von monatlich 368 Euro (statt 409 Euro nach der Regelbedarfsstufe 1). Dieser Bescheid ist bestandskräftig geworden. Den im März 2017 gestellten Antrag auf Überprüfung des Änderungsbescheids hinsichtlich der ihr bewilligten Regelbedarfsstufe 2 lehnte der Beklagte ab. Klage und Berufung der Klägerin sind erfolglos geblieben. Das Landessozialgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, eine teleologische Reduktion der Regelung in § 20 Absatz 4 SGB II für den Fall einer gemischten Bedarfsgemeinschaft, bei der ein Partner Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehe, sei nicht erforderlich. Zwar unterscheide sich die Leistungshöhe, die Differenz rechtfertige jedoch keine einschränkende Auslegung. Ein Wirtschaften aus einem Topf sei für den streitigen Zeitraum auch möglich, wenn eine gemischte Bedarfsgemeinschaft von SGB II und Asylbewerberleistungsgesetz-Berechtigten zusammenlebe.

Mit ihrer vom Landessozialgericht zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, dass ihrer Bedarfsgemeinschaft um 50 Euro monatlich geringere Leistungen zur Verfügung gestanden hätten als anderen Bedarfsgemeinschaften, so dass ihre wirtschaftliche Situation mit der einer alleinstehenden Leistungsberechtigten vergleichbar gewesen sei und sie Anspruch auf Leistungen in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 gehabt habe. Eine weitgehende Annährung des Niveaus der Leistungen nach dem SGB II und nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, wie sie noch in dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 12. Oktober 2017 (Aktenzeichen B 4 AS 37/16 R) angenommen worden sei, habe seit Januar 2017 nicht mehr bestanden.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Berlin, S 203 AS 11675/17, 15.12.2020
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, L 14 AS 74/21, 03.12.2021

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 3/23.

Terminbericht

Die zulässige Revision der Klägerin hatte im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung an das Landessozialgericht Erfolg. Über die Rechtmäßigkeit des Überprüfungsbescheids konnte der Senat nicht abschließend entscheiden, weil sich die Rechtmäßigkeit des zu überprüfenden Änderungsbescheids hier nach § 45 SGB X, nicht dagegen nach § 48 SGB X beurteilt und Feststellungen zu Vertrauensschutzgesichtspunkten fehlen. Sollten die Tatbestandsvoraussetzungen des § 45 SGB X erfüllt sein, hätte der Beklagte die teilweise Rücknahme des zu überprüfenden Änderungsbescheids allerdings zu Recht abgelehnt. Mit Einzug ihres Ehemanns standen der Klägerin Leistungen nur noch in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 statt 1 zu. Auch wenn der Ehemann ohne Aufenthaltserlaubnis selbst kein Arbeitslosengeld II erhalten konnte, wurde er mit seinem Einzug in die Wohnung Teil der Bedarfsgemeinschaft. Mit den ihnen bewilligten Leistungen (Sozialgeld nach Regelbedarfsstufe 2 und Asylbewerberleistungen nach § 3 AsylbLG alte Fassung) waren die Klägerin und ihr Ehemann in der Lage, "aus einem Topf" zu wirtschaften und Einsparmöglichkeiten zu erzielen. Auch die (um 50 Euro) niedrigere Leistungshöhe des ausbezahlten Grundleistungsbetrags nach § 3 AsylbLG führte in der hier vorliegenden Fallgestaltung nicht dazu, dass von der typisierenden Annahme eines niedrigeren Bedarfs für gemeinsam wirtschaftende Partner abgewichen werden müsste. Der Klägerin und ihrem Ehemann war es - wie anderen Bedarfsgemeinschaften - möglich, insbesondere im Bereich Lebensmittel, Energie und Wohnungsinstandhaltung sowie Nachrichtenübermittlung gemeinsam zu wirtschaften und Ersparnisse zu erzielen. Dies gilt auch für den Bereich Hausrat, der in den Grundleistungsbedarf nach dem AsylbLG nicht als Geldleistungsbetrag eingeflossen ist und daher wesentlich zur Differenz des ausgezahlten monatlichen Betrags führt, für den im Bedarfsfall aber gesondert Geld- oder Sachleistungen erbracht werden. Selbst wenn die Berechnung der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechen sollte, könnte die Klägerin für sich keinen höheren Leistungsanspruch gegen den Beklagten ableiten.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 3/23.

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Wir verwenden ausschließlich Sitzungs-Cookies, die für die einwandfreie Funktion unserer Webseite erforderlich sind. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir diese Cookies einsetzen. Unsere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den Link Datenschutz.

OK