Bundessozialgericht

Verhandlung B 11 AL 42/21 R

Arbeitslosenversicherung - Arbeitslosengeld - Nachzahlung - Verzinsung

Verhandlungstermin 15.02.2023 12:30 Uhr

Terminvorschau

S.V. ./. Bundesagentur für Arbeit
Die Beklagte bewilligte dem Kläger unter Zugrundelegung des in der Arbeitsbescheinigung der ehemaligen Arbeitgeberin angegebenen Bruttoarbeitsentgelts für die Zeit vom 1. August 2009 bis 31. Oktober 2010 Arbeitslosengeld in Höhe eines täglichen Leistungssatzes von 28,40 Euro. Den Überprüfungsantrag des Klägers vom 26. August 2013 mit der Begründung, er beanspruche von seiner ehemaligen Arbeitgeberin eine höhere Vergütung nach dem "Equal-Pay"-Gebot, lehnte die Beklagte ab. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren stellte das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 13. April 2016 das Zustandekommen eines zwischen dem Kläger und seiner ehemaligen Arbeitgeberin geschlossenen Vergleichs fest, in dem sich diese zu einer Lohnnachzahlung in Höhe von 64.758,85 Euro (netto) verpflichtete, die am 13. Mai 2016 dem Konto des Klägers gutgeschrieben wurde. Das Ergebnis des Vergleichs teilte der Kläger der Beklagten am 2. Juni 2016 mit. Nach Übersendung einer korrigierten Arbeitsbescheinigung änderte die Beklagte die Leistungsbewilligung, setzte den täglichen Leistungssatz auf 55,15 Euro fest und gewährte eine Nachzahlung von Arbeitslosengeld in Höhe von 12.037,50 Euro.

Auf den Antrag des Klägers auf Verzinsung dieses Nachzahlungsanspruchs bewilligte die Beklagte Zinsen in Höhe von 641,92 Euro für die Zeit vom 1. Januar 2017 bis 30. April 2018, lehnte für die Zeit bis 31. Dezember 2016 jedoch die Verzinsung ab, denn der vollständige Leistungsantrag habe erst im Juni 2016 vorgelegen. Die dagegen gerichtete Klage ist erfolglos geblieben. Das Landessozialgericht hat das Urteil des Sozialgerichts und die Verwaltungsentscheidungen abgeändert und die Beklagte verurteilt, den Nachzahlungsbetrag auch für die Zeit vom 1. Juli 2016 bis 31. Dezember 2016 mit vier Prozent per annum zu verzinsen; im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Der Anspruch auf Nachzahlung von Arbeitslosengeld nach dem erhöhten Leistungssatz sei erst mit dem Zufluss des nachgezahlten Arbeitslosengeld am 13. Mai 2016 im Sinne des § 44 Absatz 1 SGB I fällig geworden. Dies folge aus § 131 Absatz 1 Sätze 1 und 2 SGB III alte Fassung, der als materiell-rechtliche Voraussetzung bestimme, dass Arbeitsentgelt, auf das der Arbeitslose beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis Anspruch gehabt habe, als erzielt gelte, wenn es tatsächlich zugeflossen sei.

Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger insbesondere eine Verletzung des § 131 Absatz 1 SGB III alte Fassung sowie des § 44 Absatz 1 in Verbindung mit § 41 SGB I. Das "Zuflussprinzip" des § 131 Absatz 1 SGB III alte Fassung stelle keine materielle Fälligkeits-voraussetzung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld dar, sondern bewirke nur die Erkenntnis der wahren Rechtslage, nämlich dass der Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld bereits ab Leistungsbeginn bestanden habe. Dies folge im Übrigen auch schon aus den bestandskräftigen Bewilligungsbescheiden der Beklagten.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Nürnberg, S 10 AL 419/18, 19.05.2020
Bayerisches Landessozialgericht, L 10 AL 84/20, 20.07.2021

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 3/23.

Terminbericht

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf eine weitergehende Verzinsung des Nachzahlungsanspruchs auf Arbeitslosengeld. Die nachgezahlten Arbeitsentgelte waren am 13. Mai 2016 zugeflossen und Arbeitslosengeld daher erst ab dem 1. Juli 2016 zu verzinsen. Die Verzinsung der Sozialleistungsansprüche richtet sich nach deren Fälligkeit und diese nach deren Entstehen (§§ 40, 41 SGB I). Die Fälligkeit der hier maßgeblichen Einzelansprüche auf höheres Arbeitslosengeld, die infolge einer nachträglichen Vertragserfüllung erst später ausgezahlt worden sind, tritt erst zum Ende desjenigen Monats ein, in dem die verspätet ausgezahlten Arbeitsentgelte tatsächlich zugeflossen sind. Dies folgt aus Wortlaut, vor allem aus der Vor- und Entstehungsgeschichte sowie dem Sinn und Zweck des § 131 Absatz 1 Satz 2 Alternative 1 SGB III alte Fassung, wonach der tatsächliche Zufluss der Arbeitsentgelte zur materiell-rechtlichen Tatbestandsvoraussetzung geworden ist. Eine Verletzung von Artikel 3 Absatz 1 GG begründet dies nicht. Die zum Anspruch auf die Lohnersatzleistung Arbeitslosengeld akzessorische Nebenforderung auf Verzinsung ist im Übrigen nicht Bestandteil des sozialversicherungsrechtlichen Äquivalenzprinzips, besteht also unabhängig von gezahlten Sozialversicherungsbeiträgen.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 3/23.

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