Bundessozialgericht

Verhandlung B 10 ÜG 2/21 R

Entschädigung - überlange Dauer - Verfahren vor dem Sozialgericht und Landessozialgericht - Wirksamkeit - Klagerücknahme

Verhandlungstermin 09.03.2023 10:00 Uhr

Terminvorschau

Ž. G. ./. Land Hessen
Der Kläger begehrt eine Entschädigung wegen unangemessener Dauer von vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht geführten Verfahren, die er als Einheit betrachtet.

Dem Entschädigungsverfahren liegt ein Streit über die Weitergewährung von Arbeitslosenhilfe zugrunde. Auf seine im Jahr 1999 erhobene Klage und die nachfolgende Berufung wurde die beklagte Bundesagentur für Arbeit mit Urteil des Landessozialgerichts vom 21. August 2009 zur Zahlung von Arbeitslosenhilfe dem Grunde nach verurteilt. Gegen die Höhe der daraufhin bewilligten Leistungen wandte sich der Kläger anschließend mit einer im November 2010 erhobenen Klage. In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht vom 11. August 2014 nahm die damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers die Klage zurück. Der Kläger widersprach der Klagerücknahme und erhob bereits vier Monate später Verzögerungsrüge. Im Juli 2017 hat das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid festgestellt, dass die Klage zurückgenommen ist. Berufung und Nichtzulassungsbeschwerde hiergegen sind erfolglos geblieben (Urteil des Landessozialgerichts vom 16. März 2018; Beschluss des Bundessozialgerichts vom 23. Mai 2018).

Am 9. Juli 2015 hat der Kläger Entschädigungsklage erhoben, die das Landessozialgericht als Entschädigungsgericht abgewiesen hat. Entschädigungsrechtlich lägen mehrere selbstständige Verfahren vor, auch wenn sie in inhaltlichem Zusammenhang ständen. Der Kläger habe die Entschädigungsklage hinsichtlich der Verfahren über den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe und über deren Höhe nicht innerhalb der jeweils maßgeblichen Fristen erhoben. Angesichts der wirksamen Klagerücknahme sei auf deren Zeitpunkt als Abschluss des Verfahrens über die Höhe der Arbeitslosenhilfe abzustellen. Das Verfahren sei getrennt von demjenigen über die Wirksamkeit der Klagerücknahme zu betrachten. Auch in Bezug auf das Verfahren über die Klagerücknahme bestehe kein Entschädigungsanspruch, weil die Verzögerungsrüge vier Monate nach Verfahrenseinleitung und damit zu früh erhoben sei. Im Übrigen liege auch keine unangemessene Dauer dieses Verfahrens vor.

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 198 GVG. Das Verfahren über die Höhe des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe und das Verfahren über die Wirksamkeit der darin erklärten Klagerücknahme seien wegen ihrer besonderen Nähe entschädigungsrechtlich als Einheit zu betrachten. Daher seien die Verzögerungsrüge und die Entschädigungsklage zum richtigen Zeitpunkt erhoben worden.

Verfahrensgang:
Hessisches Landessozialgericht, L 6 SF 3/19 EK AL, 18.11.2020

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 9/23.

Terminbericht

Die Revision des Klägers war erfolglos. Zu Recht hat das Landessozialgericht einen Entschädigungsanspruch des Klägers wegen unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens verneint. Dabei ist die Dauer des Verfahrens, in dem er sich gegen die Höhe seines Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe wandte, und die Dauer des Verfahrens, in dem die Wirksamkeit der zuvor erklärten Klagerücknahme überprüft wurde, jeweils eigenständig zu beurteilen.

Soweit sich die Entschädigungsklage auf das Verfahren zum Anspruch auf Arbeitslosenhilfe der Höhe nach bezieht, ist sie unzulässig, weil die sechsmonatige Klagefrist nach Erledigung des Verfahrens nicht eingehalten wurde. Das Verfahren wurde durch Klagerücknahme in der mündlichen Verhandlung vom 11. August 2014 beendet. Eine einheitliche Betrachtung mit dem Verfahren zur Überprüfung der Wirksamkeit der Klagerücknahme mit der Folge, dass die Entschädigungsklage am 9. Juli 2015 rechtzeitig erhoben wäre, scheidet aus. Dies folgt aus dem Ergebnis des Überprüfungsverfahrens, wonach die Klagerücknahme wirksam und das Verfahren damit tatsächlich beendet war.

Dies führt vorliegend dazu, dass das Verfahren über die Wirksamkeit der Klagerücknahme entschädigungsrechtlich ein eigenständiges Gerichtsverfahren ist. Ein Entschädigungsanspruch des Klägers für dieses Verfahren ist jedoch ausgeschlossen, weil die am 23. Dezember 2014 vom Kläger beim Sozialgericht erhobene Verzögerungsrüge bereits vier Monate nach der am 25. August 2014 erfolgten Verfahrenseinleitung und damit zu früh erhoben worden ist. Zu diesem Zeitpunkt bestand schon wegen der für dieses Verfahren noch zur Verfügung stehenden Vorbereitungs- und Bedenkzeit des Sozialgerichts aus der maßgeblichen ex-ante-Perspektive eines verständigen Rügeführers noch nicht die durch objektive Anhaltspunkte begründete Besorgnis, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen werden wird.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 9/23.

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