Bundessozialgericht

Verhandlung B 6 KA 22/22 R

Vertragsarztrecht - langjährig tätiger Vertragsarzt - zunächst Mitglied einer Berufsausübungsgemeinschaft - neue Einzelpraxis - Angestellter - unterdurchschnittliches Individualbudget - Begrenzung bis zum Fachgruppendurchschnitt - Honorarverteilungsmaßstab

Verhandlungstermin 19.07.2023 11:00 Uhr

Terminvorschau

Dr. R ./. Kassenärztliche Vereinigung Hamburg
Die Beteiligten streiten um die Höhe des Honorars des Klägers für das Quartal 1/2014.

Der bereits seit 2006 im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung als Facharzt für Radiologie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Kläger war bis Ende des Jahres 2013 Mitglied einer Berufsausübungsgemeinschaft. Zum 1. Januar 2014 gründete er an einem neuen Standort eine Einzelpraxis und stellte einen Arzt an, der zuvor noch nicht in der vertragsärztlichen Versorgung tätig war. Im ersten Quartal seiner Tätigkeit am neuen Praxisstandort unterschritt das Honorar der Praxis den Fachgruppendurchschnitt für Praxen dieser Größe mit zwei vollen Versorgungsaufträgen. Die Individualbudgets, die die Beklagte der Praxis für den Kläger und seinen Angestellten zuordnete, waren ebenfalls unterdurchschnittlich; die oberhalb dieser Budgetgrenze erbrachten Leistungen wurden nicht zu den vollen Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung, sondern abgestaffelt vergütetet.

Widerspruch, Klage und Berufung, mit denen der Kläger sowohl für sich selbst als auch für seinen angestellten Arzt als Anfänger in der Aufbauphase der Praxis ein Individualbudget mindestens in Höhe des Fachgruppendurchschnitts geltend gemacht hat, sind erfolglos geblieben. Das Landessozialgericht hat ausgeführt, dass der Kläger als bereits langjährig im Bezirk der Beklagten tätiger Vertragsarzt keinen Anspruch darauf habe, ohne Begrenzung bis zum Fachgruppendurchschnitt wachsen zu können. Für Angestellte eines Arztes in Einzelpraxis sehe der Honorarverteilungsmaßstab der Beklagten beanstandungsfrei ebenfalls kein unbegrenztes Wachstum bis zum Fachgruppendurchschnitt vor. Der angestellte Arzt trage nicht das gleiche unternehmerische Risiko wie der Vertragsarzt und der bei einem Vertragsarzt angestellte Arzt sei auch nicht mit dem angestellten Arzt in einem Medizinischen Versorgungszentrum vergleichbar, weil das neu gegründete Medizinische Versorgungszentrum selbst eine Zulassung erhalte, während der Kläger seine Zulassung nach dem Austritt aus der BAG behalten habe. Auch die Bildung eines Unterkontingents für CT-gesteuerte Interventionen sei nicht zu beanstanden.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision. Er rügt die Verletzung des § 87b SGB V und des aus Artikel 12 Absatz 1, Artikel 3 Absatz 1 GG abzuleitenden Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Hamburg, S 27 KA 215/14, 26.09.2018
Landessozialgericht Hamburg,L 5 KA 11/18, 02.06.2021

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 28/23.

Terminbericht

 Die Revision des Klägers war teilweise erfolgreich. Die Beklagte muss den Kläger insoweit neu bescheiden, als der Berechnung seines Honorars ein individuelles Leistungsbudget in Höhe des arztgruppendurchschnittlichen individuellen Leistungsbudgets für seinen angestellten Arzt Dr. D. zu Grunde zu legen ist.

Nach ständiger Rechtsprechung folgt aus dem Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit, dass unterdurchschnittlich abrechnenden Jungärzten in einer Aufbauphase von mindestens drei Jahren die Möglichkeit gegeben werden muss, ihr Honorar sofort bis zum Fachgruppendurchschnitt zu steigern. Die zunächst für Einzelpraxen ohne Angestellte entwickelten Vorgaben sind in der Rechtsprechung des Senats für kooperative Berufsausübungsformen im Sinne eines doppelten Erfordernisses weiterentwickelt worden. Danach müssen sich sowohl die Berufsausübungsgemeinschaft beziehungsweise das Medizinische Versorgungszentrum als auch die dort tätigen Ärzte in der Aufbauphase befinden.

Der Senat stellt nunmehr klar, dass die genannten Maßstäbe auch für Vertragsärzte mit angestellten Ärzten gelten. Zwar ist der Kläger selbst bereits länger als drei Jahre im selben Planungsbereich vertragsärztlich tätig gewesen, sodass er für sich kein individuelles Leistungsbudget mindestens in Höhe des Fachgruppendurchschnitts beanspruchen kann. Da der angestellte Arzt in der neu gegründeten Praxis des Klägers aber erstmals in der vertragsärztlichen Versorgung tätig geworden ist, hätte die Beklagte der Honorarberechnung für die von dem angestellten Arzt erbrachten Leistungen ein Individualbudget mindestens in Höhe des Fachgruppendurchschnitts zugrunde legen müssen.

Die Bildung eines gesonderten Budgets (Unterkontingents) für CT-gesteuerte Interventionen im Honorarverteilungsmaßstab der Beklagten ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Nachteile sind dem Kläger im Übrigen nicht unmittelbar durch die Bildung des genannten Unterkontingents, sondern erst dadurch entstanden, dass er sich entschieden hat, entsprechende Leistungen aus dem ihm zur Verfügung stehenden Unterkontingent - anders als im entsprechenden Quartal des Vorjahres - nicht mehr zu erbringen, sodass diese auch nicht mehr vergütet werden konnten.

Die Berichte zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 28/23.

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