Bundessozialgericht

Verhandlung B 4 AS 6/22 R

Grundsicherung für Arbeitsuchende - abschließende Leistungsfestsetzung - nachträgliche Änderung - monatsübergreifende Saldierung

Verhandlungstermin 20.09.2023 11:00 Uhr

Terminvorschau

1. R. S., 2. D.S., 3. F. S. /. Jobcenter Saalekreis
Der Beklagte bewilligte den Klägern zu 1 und 2 sowie deren Tochter, der Klägerin zu 3, Leistungen nach dem SGB II für den Bewilligungszeitraum von April bis September 2016. Wegen schwankenden Einkommens der Klägerin zu 2 aus Erwerbstätigkeit erfolgte die Bewilligung zunächst vorläufig in monatlich unterschiedlicher Höhe. Im Widerspruchsverfahren setzte der Beklagte nach Vorlage aller Einkommensnachweise die Leistungen endgültig fest. Er gelangte unter Anrechnung des tatsächlich monatlich zugeflossenen Einkommens sowie zweier nach seiner Auffassung auf sechs Monate aufzuteilender Einmalzahlungen von November 2015 und Februar 2016 zu dem Ergebnis, dass im April 2016 kein Leistungsanspruch bestehe. Für die übrigen Monate berechnete er deshalb die Leistungen ohne Bildung eines monatlichen Durchschnittseinkommens. Die sich ergebende Nachzahlung zahlte der Beklagte aus und wies die Widersprüche sodann zurück.

Durch einen "Änderungsbescheid im Klageverfahren" hat der Beklagte den Einwänden der Kläger gegenüber der Einkommensanrechnung mit Blick auf die Berücksichtigung der einmaligen Zahlungen teilweise Rechnung getragen und die Leistungen für die einzelnen Monate des Bewilligungszeitraums jetzt unter Berücksichtigung eines monatlichen Durchschnittseinkommens in abweichender Höhe errechnet. Konkret ermittelte er für April und Mai 2016 jeweils einen höheren Leistungsanspruch der Kläger als im vorhergehenden Bescheid und für die Monate Juni bis September 2016 einen niedrigeren. Der Beklagte saldierte die Monatsbeträge und zahlte weitere Leistungen aus. Klage und Berufung, mit denen die Kläger die Auszahlung weiterer Leistungen wegen der höher festgesetzten Ansprüche für April und Mai begehrt und sich im Übrigen gegen die “Kürzung“ der Leistungen für Juni bis September gewandt haben, blieben erfolglos. Der neue Bescheid sei an § 44 SGB X zu messen, denn er verbessere insgesamt die Rechtsposition der Kläger, auch wenn in einigen Monaten der Leistungsanspruch geringer als nach der ersten endgültigen Festsetzung sei. Ausnahmsweise sei keine monatsweise Betrachtung anzustellen, weil das Monatsprinzip durch § 41a SGB II mit dem Gebot einer Durchschnittsberechnung (§ 41a Absatz 4 SGB II alte Fassung) und dem Gebot der monatsübergreifenden Saldierung (§ 41a Absatz 6 SGB II) durchbrochen werde.

Mit ihren vom Landessozialgericht zugelassenen Revisionen rügen die Kläger, dass die (erste) endgültige Leistungsfestsetzung für Juni bis September 2016 nur noch unter den Voraussetzungen der §§ 45, 48 SGB X abänderbar gewesen sei, weil sich zu ihrem Nachteil geringere Beträge ergeben hätten. Die Saldierungsvorschrift des § 41a Absatz 6 Satz 2 SGB II greife im Übrigen bei der Korrektur einer bereits endgültigen Entscheidung nicht nochmals ein. Nachzahlungen und Erstattungen würden deshalb nebeneinander stehen und eine Verrechnung könne nicht erfolgen.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Halle, S 21 AS 1950/17, 08.06.2020
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, L 2 AS 692/20, 21.09.2021

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 35/23.

Terminbericht

Der Senat hat das Urteil des Landessozialgerichts aufgehoben und die Sachen zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen. Aufgrund fehlender Feststellungen insbesondere zu den Voraussetzungen für die Rücknahme von Verwaltungsakten nach § 45 SGB X vermochte der Senat nicht zu entscheiden, ob der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist. Dieser Bescheid regelte durch getrennte Verwaltungsakte Leistungsansprüche für die Kläger jeweils monatlich neu. Deshalb ist die Frage nach dem begünstigenden oder nicht begünstigenden Charakter der Verwaltungsakte und danach, ob als Rechtsgrundlage für eine Rücknahme der abschließenden Festsetzung § 44 SGB X oder § 45 SGB X heranzuziehen ist, ebenfalls monatsweise zu beantworten. Aus § 41a SGB II alter Fassung, der von der endgültigen Feststellung des “monatlichen Leistungsanspruchs“ ausgeht, folgt nichts anderes. Deshalb durfte nur für die Monate April und Mai 2016 die Rücknahme der abschließenden Festsetzung auf der Grundlage von § 44 SGB X erfolgen. Demgegenüber waren für Juni bis September 2016 zunächst zu Unrecht jeweils höhere als den Klägern zustehende monatliche Leistungsansprüche zuerkannt worden. Die Korrektur dieser Verwaltungsakte, die einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet hatten, ist deshalb an § 45 SGB X zu messen. Bisher hat das Landessozialgericht keine Tatsachen festgestellt, nach denen beurteilt werden kann, ob dessen Voraussetzungen erfüllt sind.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 35/23.

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