Bundessozialgericht

Verhandlung B 1 KR 1/23 R

Gesetzliche Krankenversicherung - Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung - nordrhein-westfälischer Landesvertrages über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung - Zahlungsanspruch - Zinsanspruch

Verhandlungstermin 12.12.2023 10:00 Uhr

Terminvorschau

K. Klinikum GmbH ./. Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See

Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung. Die Klägerin betreibt ein zugelassenes Krankenhaus. In diesem wurde in der Zeit von März bis Anfang April 2014 eine Versicherte der beklagten Krankenkasse stationär behandelt. Die Versicherte litt unter anderem an einer Rechtsherzinsuffizienz sowie einer kardiorespiratorischen Herzinsuffizienz. Das Krankenhaus stellte der Krankenkasse für die Behandlung 6727,58 Euro auf der Grundlage der DRG F62A in Rechnung. Hierfür verschlüsselte es nach ICD-10-GM (Version 2014) als Hauptdiagnose I50.01 (sekundäre Rechtsherzinsuffizienz) und als Nebendiagnose unter anderem R09.2 (Atemstillstand). Die Krankenkasse zahlte lediglich 2684,18 Euro für die sich ohne die Nebendiagnose R09.2 ergebende DRG F62B. Sie beauftragte den Sozialmedizinischen Dienst mit der Prüfung des Behandlungsfalles. Dieser gelangte zu dem Ergebnis, die Nebendiagnose R09.2 sei nicht belegt. Dies teilte die Krankenkasse dem Krankenhaus mit (Eingang des Schreibens am 7. Oktober 2014).

Das Sozialgericht hat die Krankenkasse zur Zahlung von 4043,40 Euro nebst Zinsen verurteilt. Das Landessozialgericht hat auf die Berufung der Krankenkasse die Entscheidung des Sozialgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen, mit Ausnahme des Zinsanspruchs für den Zeitraum vom 23. April bis 7. Oktober 2014. Die vom Krankenhaus in Rechnung gestellte Vergütung sei zwar nach § 15 des nordrhein-westfälischen Landesvertrages über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung zunächst fällig geworden. Sie hätte von der Krankenkasse ungeachtet der durchgeführten Prüfung innerhalb von 15 Kalendertagen beglichen werden müssen. Hieraus ergebe sich die Verpflichtung der Krankenkasse zur Zahlung von Verzugszinsen. Mit dem Zugang der substantiierten Einwendungen der Krankenkasse am 7. Oktober 2014 sei die Fälligkeit des Anspruchs in der streitigen Höhe aber wieder entfallen. Aufgrund der Einwendungen sei offensichtlich gewesen, dass die Rechnung des Krankenhauses fehlerhaft gewesen sei, da die Nebendiagnose R09.2 nicht habe kodiert werden dürfen. Es habe unstreitig weder ein Atemstillstand noch ein Herz-Lungen-Versagen vorgelegen. Etwas anderes folge auch nicht daraus, dass in dem Exklusivum zu dem Code J96 und im alphabetischen Verzeichnis hinsichtlich der kardiorespiratorischen Insuffizienz auf den Code R09.2 verwiesen werde. Die Krankenkasse sei auch nach Ablauf der zweiwöchigen Zahlungsfrist nicht gehindert, diesen Einwand geltend zu machen.

Mit seiner Revision rügt das Krankenhaus eine Verletzung des § 15 Absatz 1 Satz 1 des nordrhein-westfälischen Landesvertrages über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung und eine Verletzung der wortlautgetreuen Anwendung der Abrechnungsregelungen in Verbindung mit dem Grundsatz, dass so spezifisch wie möglich zu kodieren sei.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Gelsenkirchen, S 11 KR 415/18, 09.10.2020
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, L 16 KR 746/20, 01.09.2022

Die Vorschau zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 50/23.

Terminbericht

Die Revision des klagenden Krankenhauses hatte keinen Erfolg.

Das Krankenhaus hat den Behandlungsfall zu Unrecht mit der Nebendiagnose R09.2 (ICD-10-GM, Version 2014) kodiert, die die höher vergütete DRG F62A ansteuert. Bei der Versicherten lag nach den bindenden Feststellungen des Landessozialgerichts weder ein Atemstillstand noch ein Herz-Lungen-Versagen vor. Kein anderes Ergebnis folgt daraus, dass das Exklusivum zu dem Code J96 und das alphabetische Verzeichnis hinsichtlich der kardiorespiratorischen Insuffizienz auf den Code R09.2 verweisen. Maßgeblich für die Kodierung ist vorrangig das systematische Verzeichnis und hier in erster Linie die Frage, ob die Voraussetzungen des konkret in Rede stehenden Codes erfüllt sind. Das alphabetische Verzeichnis unterstützt lediglich die Verschlüsselung nach dem systematischen Verzeichnis. Bei einem - wie hier - vorliegenden Widerspruch beider Verzeichnisse ist deshalb das systematische Verzeichnis maßgeblich. Exklusiva regeln verbindlich nur den Ausschluss der Kodierung an der betreffenden Stelle. Das Exklusivum ist aber nicht geeignet, die Einschlägigkeit des in Klammern angegebenen Codes entgegen seinem eindeutigen Wortlaut zu begründen.

Das Krankenhaus kann den geltend gemachten Zahlungsanspruch auch nicht auf § 15 Absatz 1 Satz 1 des Nordrhein-Westfälischen Landesvertrages über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung stützen. Das Landessozialgericht hat diese Vorschrift als Fälligkeitsregelung angesehen und dahingehend ausgelegt, dass die Krankenkasse grundsätzlich verpflichtet ist, den - unter Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten nach § 301 SGB V - formal ordnungsgemäß in Rechnung gestellten Betrag innerhalb der dort bestimmten Frist zu zahlen. Die Krankenkasse sei aber nicht zur Zahlung zu verurteilen, wenn sie im Verlaufe eines gerichtlichen Verfahrens oder bereits davor - nicht notwendig innerhalb der kurzen Zahlungsfrist - ihre Einwände spezifiziere. An diese Auslegung und Anwendung des nordrhein-westfälischen Landesvertrages durch das Landesozialgericht ist der erkennende Senat gebunden. Sie ist mit höherrangigem Recht vereinbar. § 112 Absatz 1 und Absatz 2 Satz 1 Nummer 1b SGB V ermächtigt die Vertragspartner unter anderem, kurze Zahlungsfristen für die Begleichung der Krankenhausrechnung zu vereinbaren. Diese sind Ausdruck des mit der Vorleistungspflicht der Krankenhäuser korrespondierenden kompensatorischen Beschleunigungsgebots. Dieses verwehrt es der Krankenkasse unter anderem, vorläufige Vergütungszahlungen unter Verweis auf eine noch nicht abgeschlossene Prüfung zu verweigern. Es kann der Krankenkasse nach der Rechtsprechung des Senats dagegen nicht verwehrt werden, die Zahlung der Krankenhausvergütung zu verweigern, wenn für sie feststeht, dass kein Vergütungsanspruch besteht. Sie ist - wie der Senat bereits entschieden hat - nicht verpflichtet, ein Prüfverfahren durchzuführen, und sie muss sich auch nicht auf die Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs verweisen lassen. Die Krankenkasse geht dadurch allerdings Risiken ein: Verzichtet sie auf ein Prüfverfahren, können ihr im Prozess Nachteile dadurch entstehen, dass das Krankenhaus seine Mitwirkung an der Sachverhaltsaufklärung verweigert. Stellt sich im Prozess die Unrichtigkeit ihrer Auffassung heraus, hat sie zudem dem Krankenhaus den aus der Zahlungsverweigerung erwachsenden Schaden zu ersetzen. Sie kann überdies - wie hier - landesvertraglich zur Zahlung von Verzugszinsen verpflichtet sein.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 50/23.

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