Bundessozialgericht

Verhandlung B 12 R 12/21 R

Versicherungs- und Beitragsrecht - abhängige Beschäftigung - Kameramann - Einzelaufträge - Filmproduktionsfirma

Verhandlungstermin 12.12.2023 10:00 Uhr

Terminvorschau

S. F. GmbH ./. Deutsche Rentenversicherung Bund, beigeladen: 1. H. V., 2. Bundesagentur für Arbeit
Die Klägerin ist eine Filmproduktionsfirma, der Beigeladene zu 1. Kameramann. Die Klägerin beauftragte ihn erstmals am 26. Juli 2014 und danach immer wieder mündlich mit der Erstellung von Filmen zu konkreten Themen für Fernsehmagazine bis zu 35 Minuten Dauer. Der Beigeladene erfragte jeweils die Vorstellungen des Autors oder Redakteurs des Endkunden der Klägerin (in der Regel Fernsehsender) und vereinbarte nach Unterbreitung eigener Vorschläge zur Kameraführung Eckpunkte. Er bestimmte den konkreten Drehort und die Drehzeiten sowie die Art und Weise der Kameraführung (Perspektive) sowie die szenische Gestaltung. Zumeist übernahm er nach eigenen Vorstellungen auch die Beleuchtung/Lichttechnik (Lichtgestaltung) sowie die Tonaufnahme während des Drehs. Der Redakteur oder Autor war bei den Dreharbeiten zumeist anwesend. Seine Vorschläge zur Kameraführung musste der Beigeladene nicht annehmen. Ein zweiter Kameramann war verantwortlich für die Aufnahme anderer Bilder. Dieser wurde gelegentlich durch einen bei der Klägerin angestellten Kameraassistenten ersetzt. Eine Regie war nicht vorgesehen. Sofern benötigt, wurden Hauptkamera und Tonequipment dem Beigeladenen zur Verfügung gestellt. Im Übrigen kamen seine eigenen Arbeitsmittel (Beleuchtungsequipment, Kamerarigs, Transportfahrzeug) zum Einsatz. Der Auftrag des Beigeladenen endete mit der Übergabe des Filmmaterials. Er wurde nach für den jeweiligen Film vereinbarten Tages- und Stundensätzen vergütet.

Die beklagte DRV Bund stellte für den Beigeladenen Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund Beschäftigung ab 26. Juli 2014 fest. Das Sozialgericht hat die Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Beigeladene nicht abhängig beschäftigt gewesen sei und keine Versicherungspflicht bestanden habe. Das Landessozialgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Es seien die Verhältnisse bei Durchführung des einzelnen Auftrags maßgeblich. Insgesamt überwögen nicht die für eine Beschäftigung sprechenden Merkmale. Weisungen hätten weder die Klägerin noch die Endkunden erteilt. Der Beigeladene sei nur in untergeordnetem Umfang den Filmaufnahmebetrieb der Klägerin eingebunden gewesen. Auch habe er eigene Arbeitsmittel eingebracht.

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte unter anderem eine Verletzung von § 7 Absatz 1 SGB IV. Der Beigeladene sei in die Betriebsorganisation der Klägerin eingegliedert gewesen. Durch den Auftrag seien Grenzen in Bezug auf Drehort, Drehzeit sowie Art und Weise der Tätigkeit einzuhalten gewesen. Ein unternehmerisches Risiko habe der Beigeladene nicht getragen.

Verfahrensgang:
Sozialgericht München, S 31 R 388/16, 16.03.2017
Bayerisches Landesozialgericht, L 14 R 5052/17, 22.04.2021

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 51/23.

Terminbericht

Die Revision der Beklagten ist erfolglos geblieben. Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, dass der zu 1. beigeladene Kameramann in seiner Tätigkeit für die Klägerin nicht beschäftigt und damit nicht versicherungspflichtig war.

Der Beigeladene unterlag keinem nennenswerten Weisungsrecht hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art seiner Tätigkeit. Ihm war lediglich ein Abgabetermin vorgegeben. Ansonsten war er frei von Vorgaben, wie viel Zeit er in die Erstellung des Films investierte, zu welchem konkreten Zeitpunkt und an welchem konkreten Ort er das Rohmaterial herstellte. Auch bestand keine Weisungsbefugnis der Endkunden, die der Klägerin hätte zugerechnet werden können. Der Beigeladene setzte die Vorstellungen der Endkunden nach eigenem Ermessen in weitgehender Gestaltungsfreiheit hinsichtlich Drehort und -zeit sowie Art und Weise der Kameraführung (Perspektive, szenische und Lichtgestaltung sowie Tonaufnahme) um.

Auch war der Beigeladene nicht in fremde Betriebsabläufe eingegliedert. Die Klägerin gab keine Organisationsabläufe vor. Auch fehlt es an einem arbeitsteiligen Zusammenwirken des Beigeladenen mit dem Personal der Klägerin. Ein zweiter Kameramann arbeitete eigenständig und vom Beigeladenen unabhängig. Die gelegentliche Zuarbeit von bei der Klägerin angestellten Kameraassistenten oder Beleuchtern bedingt allein nicht die Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Klägerin. Solche Einsätze waren insgesamt nur von untergeordneter Bedeutung. Hauptkamera, Tontechnik und Spezialausrüstung (zum Beispiel Kran) wurden dem Beigeladenen nur zur Verfügung gestellt, wenn er dies für mit dem vom Endkunden vorgegebenen Budget für vereinbar und für künstlerisch notwendig hielt. Er verfügte darüber hinaus mit Kamera, Rig, Beleuchtung und Transport-PKW überwiegend über eigene Betriebsmittel, die er mit der Gefahr des Verlustes einsetzte. Er haftete für einen vertragsgemäß erstellten Rohfilm und trug damit auch ein gewisses Unternehmerrisiko.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 51/23.

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