Bundessozialgericht

Verhandlung B 6 KA 23/22 R

Vertragsarztrecht - vertragsärztliche Versorgung - Telematikinfrastruktur - Anbindungspflicht - Honorarkürzung - Verfassungsmäßigkeit

Verhandlungstermin 06.03.2024 10:00 Uhr

Terminvorschau

BAG Dres. F. und G.  ./.  Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz
Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung kürzte im Honorarbescheid für das Quartal 1/2019 das vertragsärztliche Honorar der klagenden gynäkologischen Berufsausübungsgemeinschaft um ein Prozent, weil diese ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Anbindung an die Telematikinfrastruktur und Durchführung des Versichertenstammdatenabgleichs ab dem 1. Januar 2019 nicht nachgekommen war. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos.

Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen, da der Honorarbescheid rechtmäßig sei. Die Rechtsgrundlage für die entsprechende gesetzliche Verpflichtung und die daran anknüpfende Honorarkürzung nach § 291 Absatz 2b Satz 3, 14 SGB V (alte Fassung vom 11. Dezember 2018) stehe mit den Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung in Einklang. Für die Verarbeitung personenbezogener Daten beim Einlesen und Abgleich der elektronischen Gesundheitskarte zur Durchführung des Versichertenstammdatenabgleichs durch die Klägerin bestünden ausreichende Ermächtigungsgrundlagen. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der angemessenen Sicherheit der Datenverarbeitung liege nicht vor, eine explizite Festlegung der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeiten durch den nationalen Gesetzgeber sei nicht erforderlich gewesen. Die Verpflichtung zur Anbindung an die Telematikinfrastruktur verstoße auch nicht gegen die Berufsausübungsfreiheit der Klägerin.

Mit ihrer Sprungrevision rügt die Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts sowie Verfahrensrechts. Die Anbindungspflicht an die Telematikinfrastruktur stelle zumindest in der bis 19. Oktober 2020 geltenden Ausgestaltung einen unverhältnismäßigen Eingriff in ihre ärztliche Berufsfreiheit dar, deren Befolgung mehrfache Verstöße gegen die Datenschutz-Grundverordnung begründet hätte. Erst mit dem im Oktober 2020 in Kraft getretenen Patientendaten-Schutz-Gesetz hätten die gesetzlichen Regelungen den Anforderungen an die Gewährleistung der Datensicherheit entsprochen.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Mainz, S 3 KA 84/20, 27.07.2022

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 6/24.

Terminbericht

Die Revision der Klägerin war erfolglos. Die Honorarkürzung für das Quartal 1/2019 erfolgte zu Recht. Die Verpflichtung der Klägerin zur Anbindung an die Telematikinfrastruktur stellte in der Anfang 2019 geltenden Ausgestaltung des Regelungskonzepts keinen unverhältnismäßigen Eingriff in ihre ärztliche Berufsfreiheit dar.

Die Datenverarbeitung durch Vertragsärzte bei Durchführung des Versicherten-stammdatenabgleichs entspricht den besonderen Anforderungen an die Verarbeitung von personenbezogenen Daten im Gesundheitsbereich. Sie ist durch hinreichende Ermächtigungsgrundlagen insbesondere in Artikel 9 und 6 Datenschutz-Grundverordnung in Verbindung mit §§ 1, 22 Bundesdatenschutzgesetz und §§ 291 ff. SGB V gedeckt. Bereits Anfang 2019 entsprach das Normkonzept des SGB V den Vorgaben aus dem europäischem Recht zur Gewährleistung einer ausreichenden Datensicherheit. Es wies keine solchen systemischen Mängel auf, die ärztliche Leistungserbringer von der Verpflichtung zur Anbindung an die Telematikinfrastruktur hätten freistellen können. Eine vorherige Datenschutz-Folgenabschätzung war für die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung nicht zwingend erforderlich. Die Verantwortlichkeit für den Bereich der dezentralen Telematikinfrastruktur-Komponenten lag nach der Datenschutz-Grundverordnung auch ohne gesonderte nationale Regelung im Quartal 1/2019 bei den Vertragsärzten.

Die Verpflichtung der Klägerin zur Durchführung des Versichertenstammdatenabgleichs dient dem legitimen Zweck, Leistungsmissbrauch durch die Identifizierung ungültiger, verlorener oder gestohlen gemeldeter elektronischer Gesundheitskarten zu verhindern, und ist verhältnismäßig. Auch die mit der Nichtbefolgung der Verpflichtung verknüpfte Honorarkürzung stellt keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit der Klägerin dar. Der Senat konnte dabei offen lassen, ob neben dem Schutz des Grundgesetzes auch die Grundrechtecharta der Europäischen Union greift, da bei Anwendung der jeweiligen Grundrechte hier kein unterschiedliches Schutzniveau besteht.

 Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 6/24.

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