Bundessozialgericht

Verhandlung B 1 KR 7/24 R

Krankenversicherung - Fahrkosten - Krankentransport - Genehmigungsfiktion

Verhandlungstermin 20.02.2025 13:00 Uhr

Terminvorschau

R.B.  ./.  DAK Gesundheit
Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Fahrkosten.

Die Klägerin ist die Witwe des verstorbenen Versicherten der beklagten Krankenkasse. Ihm waren der Pflegegrad 3 sowie ein Grad der Behinderung von 100 einschließlich der Merkzeichen “G“ und “aG“ zuerkannt. Er litt - nach Schlaganfall und malignem Lymphom - unter anderem an einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung mit dauernder Sauerstoffgabe und unterzog sich einer Chemotherapie. Hierzu verordneten ihm die behandelnden Ärzte für die Zeit vom 30. Juli bis 31. Dezember 2020 zweimal pro Woche Krankenbeförderung im Krankentransportwagen von seinem Wohnort zur Chemotherapie und zurück, die der Versicherte in Anspruch nahm. Am 23. November 2020 beantragte der Rhein-Sieg-Kreis für den Versicherten die Fahrkostenübernahme bei der Beklagten. Diese gewährte Kostenübernahme nur vom 23. November bis 31. Dezember 2020 und lehnte eine nachträgliche Genehmigung für die Zeit bis zur Beantragung ab. Der Rhein-Sieg-Kreis stellte dem Versicherten nach dessen Angaben für die in der Zeit vom 30. Juli bis 22. November 2020 durchgeführten elf Transporte je 440,50 Euro in Rechnung, insgesamt 4.845,50 Euro.

Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen. Das Verwaltungsgericht Köln bestätigte mit rechtskräftigem Gerichtsbescheid die Rechtmäßigkeit der Gebührenforderung des Rhein-Sieg-Kreises gegen den Versicherten für einen Transport. Das Landessozialgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Die Klägerin sei zwar als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten prozessführungsbefugt. Für den geltend gemachten Anspruch fehle es aber an der nach
§ 60 Absatz 1 Satz 4 SGB V erforderlichen vorherigen Genehmigung durch die Beklagte. Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass es dem Versicherten nicht möglich oder unzumutbar gewesen sei, die Verordnung rechtzeitig bei der Beklagten vorzulegen. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch finde neben dem Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Absatz 3 Satz 1 SGB V keine Anwendung.

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung des § 60 Absatz 1 SGB V.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Köln, S 23 KR 886/21, 21.10.2021
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, L 5 KR 931/21, 18.01.2024

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 1/25.

Terminbericht

Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das Landessozialgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung erfolgreich gewesen. Der Klägerin steht der geltend gemachte Kostenerstattungs- und Kostenfreistellungsanspruch als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten dem Grunde nach gemäß § 60 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 SGB V zu. Ein Rückgriff auf die Regelungen über die naturalleistungsersetzende Kostenerstattung nach § 13 Absatz 3 SGB V ist insofern entbehrlich. Der Rhein-Sieg-Kreis als Träger des Rettungs- und Krankentransportdienstes hat die Entgelte für dessen Leistungen durch eine kommunale Satzung geregelt. Für diesen Fall ergibt sich aus § 133 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 SGB V, dass die Beklagte die Krankentransporte nicht als Sachleistung erbringt, sondern nur zur Kostenübernahme beziehungsweise Kostenerstattung verpflichtet ist. § 60 Absatz 1 Satz 4 SGB V setzt zwar für Krankentransporte zur ambulanten Behandlung grundsätzlich eine vorherige Genehmigung durch die Krankenkasse voraus und die Genehmigungsfiktion nach § 60 Absatz 1 Satz 5 SGB V findet auf Krankentransporte keine Anwendung. Allerdings bedarf das Genehmigungserfordernis hier einer teleologischen Reduktion. Liegen alle Voraussetzungen zur Kostenübernahme für einen Krankentransport vor und kann die Krankenkasse diesen wegen vorgreiflicher öffentlich-rechtlicher Bestimmungen nicht als selbst organisierte Sachleistung erbringen, darf dem Versicherten das Fehlen einer vorherigen Genehmigung nicht entgegengehalten werden. Andernfalls würde der Schutzzweck der Genehmigung in sein Gegenteil verkehrt. Über die Höhe des Anspruchs kann der Senat mangels hinreichender Feststellungen des Landessozialgerichts zu den anzuerkennenden Kosten sowie der in Abzug zu bringenden Zuzahlung nicht abschließend entscheiden.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 1/25.

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