Verhandlung B 7 AS 1/24 R
Grundsicherung für Arbeitsuchende - Prozesszinsen - Verzugszinsen - zugelassener kommunaler Träger - Erstattung Bundesmittel
Verhandlungstermin
12.03.2025 09:30 Uhr
Terminvorschau
Bundesrepublik Deutschland ./. Landkreis Anhalt-Bitterfeld
Im Streit stehen Ansprüche auf Zinsen für Forderungen der klagenden Bundesrepublik Deutschland gegen den beklagten zugelassenen kommunalen Träger (zkT) auf Erstattung von Bundesmitteln aus dem Zeitraum von 2011 bis 2014.
Der zugelassene kommunale Träger bewirtschaftete Haushaltsmittel des Bundes bei der Durchführung des SGB II. Er nutzte dazu das automatisierte Verfahren für das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen des Bundes (HKR-Verfahren). Im Januar 2016 fand eine Prüfung seiner Abrechnungen statt. An deren Ende machte die Klägerin ihm gegenüber eine Erstattungsforderung von rund 1,6 Millionen Euro an Differenzbeträgen zwischen den tatsächlichen und den nach Pauschalen berechneten Verwaltungskosten geltend.
Da der Beklagte der Zahlungsaufforderung nicht nachkam, hat die Klägerin am 16. Dezember 2019 den Klageweg zum Landessozialgericht beschritten. Dabei hat sie, neben der Hauptforderung,Verzugs- und Rechtshängigkeitszinsen (3 und 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz) geltend gemacht. Das Landessozialgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Der Klägerin stehe ab Rechtshängigkeit der Hauptforderung neben dem Anspruch auf Verzugszinsen auch einer auf Prozesszinsen in entsprechender Anwendung des § 291 BGB zu. Der Zinssatz sei nicht auf die Höhe des Verzugszinssatzes nach § 6b Absatz 5 Satz 3 SGB II (3 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz) beschränkt.
Gegen die Verurteilung zur Zahlung von Verzugs- und Prozesszinsen wendet sich der beklagte zugelassene kommunale Träger mit seiner vom Landessozialgericht zugelassen Revision. Er rügt eine Verletzung von § 6b Absatz 5 Satz 2 und 3 SGB II.
Verfahrensgang:
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, L 20 AS 2306/19 KL, 21.09.2023
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Terminbericht
Der zugelassene kommunale Träger war mit seiner Revision insoweit erfolgreich, als er ab dem 17. Dezember 2019 nur Prozesszinsen anstatt Prozess- und Verzugszinsen auf die Hauptforderung der Bundesrepublik Deutschland zahlen muss.
Der Anspruch auf Prozesszinsen ergibt sich aus entsprechender Anwendung des § 291 BGB nach den Grundsätzen des allgemeinen gewohnheitsrechtlich anerkannten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs. § 6b Absatz 5 Satz 1 SGB II normiert insoweit einen verschuldens-unabhängigen Erstattungsanspruch in der nach § 6b Absatz 2 SGB II bestehenden Finanzbeziehung zwischen dem Bund und dem zugelassenen kommunalen Träger. Nach § 6b Absatz 5 Sätze 2 und 3 SGB II wird dieser ergänzt um einen verschuldensabhängigen Verzugszinsanspruch, der für das Jahr 3 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz beträgt. Der Anspruch auf Prozesszinsen ist demgegenüber in § 6b Absatz 5 SGB II zwar nicht ausdrücklich geregelt. Umgekehrt kann jedoch weder der Vorschrift noch den Materialen entnommen werden, dass der Zinsanspruch auf die Verzugszinsen beschränkt ist. Es bestand allein im Hinblick auf die Verzugszinsen Bedarf nach einer gesetzlichen Regelung. Denn der Erstattungsanspruch aus § 6b Absatz 5 Satz 1 SGB II wäre ohne die Sonderregelung in § 6b Absatz 5 Satz 2 SGB II vor Rechtshängigkeit nur in Ausnahmefällen zu verzinsen gewesen. Einen vergleichbaren Grund für die ausdrückliche Regelung eines Prozesszinsanspruchs gab es nicht. Für den Haftungsanspruch nach Artikel 104a Absatz 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG hatte das Bundessozialgericht, der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folgend, einen Zinsanspruch in entsprechender Anwendung des § 291 BGB vor dem Inkrafttreten des § 6b Absatz 5 SGB II bereits anerkannt. Auch systematisch ist die Regelung des § 6b Absatz 5 Satz 2 SGB II nicht abschließend. Der Anspruch auf Prozesszinsen aus § 291 BGB hat eine eigenständige Bedeutung.
Der Anspruch der Klägerin auf Prozesszinsen besteht dem Grunde nach in entsprechender Anwendung von § 187 Absatz 1 BGB ab dem auf die Rechtshängigkeit folgenden Tag, hier ab dem 17. Dezember 2019. Der Höhe nach ist er nicht auf die des Verzugszinssatzes im Sinne des § 6b Absatz 5 Satz 3 SGB II beschränkt. Er richtet sich vielmehr nach den entsprechend anwendbaren Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über Verzugszinsen - § 291 Satz 2 in Verbindung mit § 288 Absatz 1 Satz 2 BGB. Danach beträgt die Höhe der Prozesszinsen grundsätzlich für das Jahr 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Die unterschiedliche Höhe des Verzugszinssatzes nach § 6b Absatz 5 Satz 3 SGB II und des Prozesszinssatzes rechtfertigt sich damit, dass die vor dem Beginn des gerichtlichen Verfahrens grundsätzlich anzunehmende Rechtstreue beider Beteiligter ab der Klageerhebung entfällt.
Allerdings kann der Gläubiger, wenn er Prozesszinsen geltend macht, nicht zugleich Verzugszinsen verlangen. Macht er dennoch beide Ansprüche geltend, kommt der für ihn günstigere Anspruch zum Tragen.
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