Bundessozialgericht

Verhandlung B 6 KA 2/24 R

Vertragsarztrecht - vertragsärztliche Versorgung -- Cannabisblüten - Verordnung - Quartal 1/2020 - Nachforderung

Verhandlungstermin 26.03.2025 11:00 Uhr

Terminvorschau

Dr. B. ./. Prüfungsstelle Niedersachsen für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit in der vertragsärztlichen Versorgung
2 Beigeladene
Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung einer Nachforderung wegen Verordnung von Cannabisblüten ohne vorherige Genehmigung der Krankenkasse im Quartal 1/2020.

Der als Facharzt für Allgemeinmedizin zugelassene Kläger verordnete einer Versicherten im Quartal 1/2020 unverarbeitete Cannabisblüten, nachdem diese bereits 2019 von einem anderen Vertragsarzt eine entsprechende Verordnung erhalten hatte. Eine Genehmigung der zu 2. beigeladenen Krankenkasse der Versicherten lag zu keinem Zeitpunkt vor. Auf Antrag der Krankenkasse setzte die beklagte Prüfungsstelle mit Bescheid vom 14. März 2023 eine Nachforderung in Höhe von 6920,61 Euro fest. Eine Begrenzung der Nachforderung auf die Differenz der Kosten zwischen der wirtschaftlichen und der tatsächlich ärztlich verordneten Leistung nahm die Beklagte nicht vor.

Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben. Zur Begründung hat das Landessozialgericht ausgeführt, die Anfechtungsklage des Klägers sei nach § 106c Absatz 3 Satz 6 SGB V ohne Vorverfahren zulässig. Der Ausschluss des Anspruchs auf Versorgung mit Cannabisblüten ergebe sich unmittelbar aus dem Gesetz, wenn - wie hier - keine Genehmigung bei der ersten Verordnung vorliege. Der Kläger habe hierdurch eine unzulässige Arzneimittelverordnung veranlasst, für die die Differenzkostenregelung keine Anwendung finde. Die Nachforderung sei auch rechtzeitig innerhalb der Zweijahresfrist des § 106 Absatz 3 Satz 3 SGB V festgesetzt worden. Der Prüfantrag der Krankenkasse vom Mai 2022 und das nachfolgende Anhörungsschreiben der Beklagten an den Kläger hätten den Ablauf der Frist gehemmt. Soweit die Rahmenvorgaben für die Wirtschaftlichkeitsprüfung zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem GKV-Spitzenverband vorsähen, dass weder die Mitteilung der Prüfstelle an den Arzt noch der Prüfantrag der Krankenkasse die Frist für die Festsetzung einer Nachforderung hemme, widerspreche dies § 106 Absatz 3 Satz 3 letzter Halbsatz SGB V, wonach § 45 Absatz 2 SGB I entsprechend anwendbar sei und damit die Vorschrift des § 204 Absatz 1 Nummer 12 Bürgerliches Gesetzbuch für die Hemmung der Verjährung sinngemäß gelte.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision und rügt die Verletzung materiellen Rechts. Die Festsetzung der Nachforderung sei erst nach Ablauf der in den Rahmenvorgaben bestimmten Frist erfolgt, die nicht gehemmt gewesen und daher am 31. Dezember 2022 abgelaufen sei. Darüber hinaus sei die Nachforderung nach der Differenzkostenregelung zu begrenzen.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Hannover, S 20 KA 35/23, 24.10.2023
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, L 3 KA 51/23, 20.03.2024

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 6/25.

Terminbericht

Die Revision des Klägers war erfolglos. Zu Recht haben die Vorinstanzen entschieden, dass eine Nachforderung gegen den Kläger wegen der ohne vorherige Genehmigung der Krankenkasse ausgestellten ärztlichen Verordnung von Cannabisblüten festzusetzen war.

Die Anfechtungsklage gegen den Bescheid der beklagten Prüfungsstelle war nach § 106c Absatz 3 Satz 6 SGB V ohne Durchführung eines Vorverfahrens zulässig, denn die Unzulässigkeit der ärztlichen Verordnung ergibt sich unmittelbar und eindeutig aus dem Gesetz selbst. Nach § 31 Absatz 6 Satz 2 SGB V bedarf die Versorgung mit Cannabis bei der Erstverordnung der vorherigen Genehmigung der Krankenkasse; eine Genehmigung lag hier jedoch zu keinem Zeitpunkt vor.

Der Nachforderungsbescheid ist rechtzeitig ergangen. Zwar lief die zweijährige Ausschlussfrist für Verordnungen in den Quartalen des Jahres 2020 am 31. Dezember 2022 ab. Hier war die Frist jedoch aufgrund des Prüfantrags der Krankenkasse und der Anhörung des Klägers gehemmt. Die ständige Rechtsprechung des Senats zur entsprechenden Anwendung der Vorschriften über die Hemmung der Verjährung im Bürgerlichen Gesetzbuch ist durch die Änderung des § 106 Absatz 3 Satz 3 letzter Halbsatz SGB V mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz vom 6. Mai 2019 bestätigt worden. Diese bundesrechtliche Regelung konnte - worauf das Landessozialgericht zutreffend hingewiesen hat - nicht durch die Rahmenvorgaben für die Wirtschaftlichkeitsprüfung zwischen dem GKV-Spitzenverband und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ausgeschlossen werden.

Die Prüfungsstelle hat auch zu Recht nicht die Differenzkostenmethode nach § 106b Absatz 2a Satz 1 SGB V angewandt, sondern den Betrag in voller Höhe regressiert. Verordnungen von Cannabisblüten ohne vorherige Genehmigung der Krankenkasse sind nicht nur unwirtschaftlich im engeren Sinne, sondern unzulässig. Insoweit hat der Senat bereits mit Urteilen vom 5. Juni 2024 (B 6 KA 5/23 R und B 6 KA 10/23 R) entschieden, dass die Differenzkostenberechnung nicht bei unzulässigen Verordnungen greift.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 6/25.

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