Bundessozialgericht

Verhandlung B 12 BA 13/23 R

Versicherungs- und Beitragsrecht - sozialgerichtliches Verfahren - elektronischer-Rechtsverkehr - elektronisches Dokument - Dateiformat - Formwirksamkeit - führende Papierakte

Verhandlungstermin 13.05.2025 14:45 Uhr

Terminvorschau

N. D. ./. Deutsche Rentenversicherung Bund
19 Beigeladene
Die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund setzte gegenüber dem klagenden Inhaber eines Unternehmens aufgrund einer Betriebsprüfung eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen und Umlagen in Höhe von 44 317,44 Euro fest. Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen die am 5. Januar 2022 zugestellte Entscheidung hat der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, am 2. Februar 2022 Berufung eingelegt. Der Schriftsatz ist dem Landessozialgericht über das besondere Anwaltspostfach qualifiziert signiert im Dateiformat ".docx" zugegangen. Das Landessozialgericht hat die Berufungsschrift am 3. Februar 2022 ausgedruckt und mit dem Transfervermerk zur führenden Papierakte genommen.

Mit Schreiben vom 22. März 2023 hat das Landessozialgericht den Kläger unter Verweis auf § 65a Absatz 6 SGG darauf hingewiesen, dass elektronische Dokumente nach § 65a Absatz 2 SGG in Verbindung mit § 2 Absatz 1 Satz 1 Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung zwingend im Dateiformat ".pdf" zu übermitteln seien. Sei ein elektronisches Dokument für das Gericht zur Bearbeitung nicht geeignet, gelte es als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen, sofern der Absender es unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreiche und glaubhaft mache, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimme. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat den Berufungsschriftsatz nicht erneut eingereicht. Das Landessozialgericht hat die Beteiligten - zum Teil durch öffentliche Zustellung - zur mündlichen Verhandlung geladen und die Berufung des Klägers durch Urteil als unzulässig verworfen. Die im Format ".docx" eingelegte Berufung entspreche in formeller Hinsicht nicht den geregelten Anforderungen und habe die Berufungsfrist nicht gewahrt. Die Bearbeitbarkeit des Dokuments könne auch nicht aufgrund des zur führenden Papierakte genommenen Ausdrucks angenommen werden.

Mit seiner Revision rügt der Kläger einen Verstoß gegen § 65a Absatz 2 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 2 Absatz 1 Satz 1 Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung. Rein formale Verstöße gegen die Elektronische-Rechtsverkehr-Verordnung führten bei führender Papierakte nicht zur Formunwirksamkeit, wenn das Gericht die Datei ausdrucke und so weiter bearbeiten könne. Jedenfalls bestehe bei führender Papierakte ein verfassungsrechtliches Erfordernis der Nichtanwendung beziehungsweise einschränkenden Auslegung der formalen Vorgaben für die Übermittlung elektronischer Dokumente.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Mainz, S 2 BA 25/20, 04.01.2022
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, L 6 BA 7/22, 27.09.2023

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 13/25.

Terminbericht

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Landessozialgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung erfolgreich gewesen. Das Verfahren des Landessozialgerichts leidet an einem wesentlichen Verfahrensmangel, den das Revisionsgericht von Amts wegen zu beachten hat. Jedenfalls die Beigeladenen zu 11. und 13. waren zum Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht am 27. September 2023 nicht ordnungsgemäß im Wege der öffentlichen Zustellung geladen worden. Das Landessozialgericht hat sich vor der Anordnung der öffentlichen Zustellung nicht in prozessordnungsgemäßer Weise davon überzeugt, dass der Aufenthalt allgemein unbekannt war. Tatsächlich war der Aufenthaltsort nach den Erkenntnissen des Senats zu diesem Zeitpunkt auch nicht unbekannt. Die beiden Beigeladenen waren im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht auch nicht anwesend oder vertreten.

Lediglich im Interesse eines prozessökonomischen Fortgangs des Verfahrens weist der Senat - ohne dass dies hier tragend zu entscheiden war - darauf hin, dass das Landessozialgericht die Berufung des Klägers auch zu Unrecht als unzulässig verworfen haben dürfte. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in seinem Beschluss vom 29. Juni 2023 (3 AZB 3/23) dürfte die Übermittlung einer Rechtsmittelschrift als elektronisches Dokument in einem nicht zugelassenen Dateiformat dann nicht zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels führen, wenn die Rechtsmittelschrift ausgedruckt und zur führenden Papierakte genommen wird.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 13/25.

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