Bundessozialgericht

Verhandlung B 12 KR 6/23 R

Versicherungs- und Beitragsrecht - Krankenversicherung - Pflegeversicherung - freiwilliges Mitglied - Beitragsbemessung - Unfallausgleich

Verhandlungstermin 13.05.2025 10:00 Uhr

Terminvorschau

B. B. ./. hkk Krankenkasse
1 Beigeladener
Die Klägerin wurde nach einem Dienstunfall in den Ruhestand versetzt. Als Ruhegehaltsempfängerin bezieht sie neben dem Unfallruhegehalt einen Unfallausgleich nach § 39 Bremisches Beamtenversorgungsgesetz. Sie ist freiwilliges Mitglied der beklagten Krankenkasse und bei der Beigeladenen sozial pflegeversichert. Die Beklagte stellte im Januar 2019 fest, dass der Unfallausgleich bislang zu Unrecht bei der Beitragsbemessung nicht berücksichtigt worden sei und setzte die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung für die Zeit ab 1. Februar 2019 unter Einbeziehung des Unfallausgleichs neu fest.

Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen. Auch die Berufung hat keinen Erfolg gehabt. Das Landessozialgericht hat zur Begründung ausgeführt, bei der Beitragsbemessung sei die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen. Nur ausnahmsweise blieben einzelne zweckbestimmte Einnahmen außer Betracht, die nicht in erster Linie auf die Befriedigung des allgemeinen Lebensunterhalts ausgerichtet seien. Der Unfallausgleich diene nicht einem besonderen Zweck oder der Kompensation eines Sonderopfers.

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, die eine Verletzung von § 240 SGB V in Verbindung mit § 3 Absatz 1 Satz 1 und 3 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler rügt. Der in Höhe der Grundrente nach § 31 Bundesversorgungsgesetz gewährte Unfallausgleich sei eine zweckgebundene Sozialleistung, die bei wertender Betrachtung nicht für den Lebensunterhalt verbraucht werde oder werden könne und nicht vergleichbar der Verletztenrente in der gesetzlichen Unfallversicherung Einkommen ersetze. Er werde auch anderweitig im Rechtssystem nicht als Einkommen berücksichtigt.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Bremen, S 67 KR 89/20, 08.04.2021
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, L 16 KR 204/21, 13.12.2022

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 13/25.

Terminbericht

Die Revision der Klägerin hat Erfolg gehabt. Die Beklagte hat zu Unrecht auf den Unfallausgleich Beiträge zur freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung erhoben.

Bei freiwilligen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung bestimmt sich die Beitragsbemessung zwar nach ihrer gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Daher sind als beitragspflichtige Einnahmen grundsätzlich alle Einnahmen und Geldmittel zugrunde zu legen, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden können. Von der Beitragspflicht sind nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung jedoch ausnahmsweise Leistungen ausgenommen, die wegen ihrer gesetzlichen Zweckbestimmung nicht dem Bestreiten des Lebensunterhalts zuzuordnen sind, sondern dem Empfänger ungekürzt erhalten bleiben sollen. Nach der insoweit gebotenen wertenden Entscheidung gehört der nach § 39 Bremisches Beamtenversorgungsgesetz gewährte Unfallausgleich aufgrund seiner Zweckbestimmung und seiner Privilegierung in Teilen der Rechtsordnung ausnahmsweise nicht zu den beitragspflichtigen Einnahmen, die für den allgemeinen Lebensunterhalt zur Verfügung stehen. An dieser Auslegung der landesrechtlichen und deshalb grundsätzlich nicht revisiblen Norm war der Senat nicht gehindert.

Aus dem Versorgungsrecht ist eine vom Gesetzgeber beabsichtigte besondere, von der den Lebensunterhalt in erster Linie sicherstellenden Besoldung unabhängige Zweckbindung abzuleiten. Nach seinem Zweck stellt der Unfallausgleich anders als das Verletztengeld keine Einkommensersatzleistung dar. Er dient vielmehr dem Ersatz echter Mehraufwendungen einschließlich sonstiger immaterieller Einbußen und Unannehmlichkeiten, die durch eine nicht nur vorübergehende wesentliche Unfallschädigung bedingt sind. Er wird nach Landes- und Bundesbeamtenversorgungsrecht "neben den Dienstbezügen, den Anwärterbezügen oder dem Ruhegehalt" gezahlt sowie während einer Beurlaubung ohne Dienstbezüge gewährt und zählt nicht zu den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen.

Die Wertung einer wegen ihrer Zweckbindung ohne Einkommensersatzfunktion nicht dem Bestreiten des Lebensunterhalts zuzuordnenden und damit ausnahmsweise nicht der Beitragspflicht unterworfenen Einnahme wird durch weitere Regelungen außerhalb des Versorgungsrechts gestützt. Der Unfallausgleich gehört nicht zu den für Pflichtmitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung beitragspflichtigen Einnahmen. Bei der für die Bestimmung der Belastungsgrenze für Zuzahlungen in der gesetzlichen Krankenversicherung maßgebenden "Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt" bleibt er außer Betracht. Zudem ist der Unfallausgleich als aus öffentlichen Mittel versorgungshalber gezahlte Leistung von der Einkommensteuer befreit. Im Wohngeldrecht unterfällt er nicht dem anrechenbaren Einkommen. Schließlich stellt der Unfallausgleich als Leistung der Unfallfürsorge kein auf Renten wegen Todes anzurechnendes Erwerbsersatzeinkommen dar.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 13/25.

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