Bundessozialgericht

Verhandlung B 10/12 R 1/24 R

Versicherungs- und Beitragsrecht - Rentenversicherung - Versicherungspflicht - Befreiung - Rechtsanwältin - befristete berufsfremde Nebentätigkeit

Verhandlungstermin 14.05.2025 11:00 Uhr

Terminvorschau

Dr. S. S. ./. Deutsche Rentenversicherung Bund
beigeladen: 1. Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Lande Nordrhein-Westfalen, 2. H.-J. Th.
Die Klägerin, eine in Teilzeit angestellte Rechtsanwältin, begehrt die Erstreckung der ihr von der Beklagten für diese Beschäftigung erteilten Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht auf eine befristete Nebentätigkeit. Sie ist als Mitglied der Rechtsanwaltskammer und des Versorgungswerks zur Zahlung einkommensbezogener Beiträge verpflichtet und hat im Gegenzug Anspruch auf berufsständische Versorgung.

Nachdem die Beklagte die Befreiung in der Vergangenheit auf mehrere befristete Nebentätigkeiten erstreckt hatte, schloss die Klägerin mit einem Abgeordneten des Deutschen Bundestags einen befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis zum Ablauf des Monats, in dem die 19. Wahlperiode endet. Ihren Antrag auf Erstreckung der Befreiung auf diese Teilzeitbeschäftigung als wissenschaftliche Mitarbeiterin lehnte die Beklagte ab.

Das Sozialgericht hat der hiergegen von der Klägerin fristgerecht erhobenen Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht diese Entscheidung "geändert" und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es auf die Gesetzesmaterialien verwiesen, aus denen sich der Zweck der Erstreckungsregelung ergebe. Diese solle sicherstellen, dass eine vorübergehende berufsfremde Tätigkeit nicht zu einem Wechsel des Alterssicherungssystems führt. Diese Gefahr bestehe aber nur, wenn die befristete Tätigkeit die frühere Beschäftigung unterbricht oder ihr zeitlich nachfolgt.

Mit ihrer vom Landessozialgericht zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Das Landessozialgericht habe eine Tatbestandsvoraussetzung für die Erstreckung aufgestellt, die dem Gesetz fremd sei. Der Gesetzeszweck sei weiter zu verstehen als das Landessozialgericht meine: Die Regelung solle die Zugehörigkeit einer Person zu zwei verschiedenen Alterssicherungssystemen vermeiden. Dies ermögliche es den Mitgliedern einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, dort eine geschlossene Versicherungsbiographie aufzubauen.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Düsseldorf, S 7 R 1490/18, 02.06.2021
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, L 14 R 719/21, 24.11.2023

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Terminbericht

Die Revision der Klägerin ist erfolgreich gewesen. Der Senat hat das Urteil des Landessozialgerichts aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts zurückgewiesen. Da der streitgegenständliche Zeitraum inzwischen abgelaufen ist, ist klargestellt worden, dass sich die Verpflichtung der Beklagten zur Erstreckung der der Klägerin erteilten Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht auf deren befristete Nebentätigkeit in der Zeit vom 1. Januar 2018 bis zum 31. Oktober 2021 bezieht.

Das Sozialgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Entgegen der Ansicht des Landessozialgerichts enthält die einschlägige Rechtsgrundlage des § 6 Absatz 5 Satz 2 SGB VI keine einschränkende Tatbestandsvoraussetzung dahingehend, dass die zeitlich begrenzte Tätigkeit, auf die die erteilte Befreiung erstreckt werden soll, die befreite Beschäftigung unterbrechen oder ihr zeitlich nachfolgen muss. Der offene Wortlaut der Norm bietet dafür keinen Anhaltspunkt. Vielmehr erfasst die Regelung danach auch Fälle, in denen beide Tätigkeiten nebeneinander ausgeübt werden. Auch den Gesetzesmaterialien lässt sich nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen, dass sich der Zweck der Erstreckungsregelung darauf beschränkt, ausschließlich den drohenden Wechsel des Alterssicherungssystems durch eine vorübergehende berufsfremde Tätigkeit zu vermeiden. Die Möglichkeit der Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht für Pflichtmitglieder berufsständischer Versorgungseinrichtungen zielt nach der Gesamtkonzeption des Gesetzgebers vielmehr darauf ab, dort eine geschlossene Versicherungsbiographie aufzubauen und eine doppelte Beitragszahlungspflicht zu verhindern.

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