Verhandlung B 10/12 R 3/23 R
Versicherungs- und Beitragsrecht - Rentenversicherung - Versicherungspflicht - Befreiung - Rechtsanwältin - befristete berufsfremde Nebentätigkeit
Verhandlungstermin
14.05.2025 12:00 Uhr
Terminvorschau
D. F. ./. Deutsche Rentenversicherung Bund
beigeladen: 1. Freistaat Sachsen, vertreten durch den Sächsischen Rechnungshof, 2. Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Lande Nordrhein-Westfalen
Die Klägerin begehrt die Erstreckung einer Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht auf eine berufsfremde Tätigkeit.
Die Klägerin gab ihre von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreite Tätigkeit als angestellte Rechtsanwältin zum 31. Mai 2017 auf und begann am 1. Juni 2017 eine neue Tätigkeit als Referentin beim Sächsischen Landesrechnungshof. Der dafür abgeschlossene Arbeitsvertrag war sachgrundlos für die Zeit vom 1. Juni 2017 bis zum 31. Dezember 2018 befristet.
Im November 2017 erstreckte die Beklagte die Befreiung der Klägerin von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht antragsgemäß auf diese neue Tätigkeit. Zum 1. März 2018 hoben der Beigeladene zu 1. und die Klägerin unter Abschluss eines neuen, bis zum 30. September 2019 befristeten Arbeitsvertrags den bisherigen Arbeitsvertrag einvernehmlich auf, um die Vertretung einer Kollegin zu ermöglichen. Zu diesem Zweck wurde die Klägerin zugleich in ein anderes Referat derselben Behörde umgesetzt.
Den Antrag der Klägerin, ihre Befreiung von der gesetzlichen Versicherungspflicht bis zum 30. September 2019 zu verlängern, lehnte die Beklagte ab. Die ab dem 1. März 2018 ausgeübte Tätigkeit knüpfe nicht unmittelbar an die ursprüngliche Tätigkeit der Klägerin als Rechtsanwältin an.
Das Sozialgericht hat die Beklagte unter Aufhebung ihrer Verwaltungsentscheidungen verurteilt, die Klägerin auch bis zum 30. September 2019 von der Versicherungspflicht zu befreien. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesssozialgericht das Sozialgericht-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die von der Klägerin im Mai 2017 aufgegebene Anwaltstätigkeit könne keine Grundlage für eine Erstreckung mehr bilden. Jedenfalls fehle es am erforderlichen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen diesem und dem zum 1. März 2018 begründeten Arbeitsverhältnis.
Mit ihrer vom Bundessozialgericht zugelassenen Revision rügt die Klägerin insbesondere die Verletzung des § 6 Absatz 5 Satz 2 SGB VI. Zu Unrecht differenzierten die Beklagte und das Landessozialgericht nicht zwischen ihrem fortbestehenden Beschäftigungs- und dem neuen Arbeitsverhältnis. Ihre Beschäftigung habe sich nicht wesentlich geändert, weshalb die Befreiung im Wege der Erstreckung zu verlängern sei.
Verfahrensgang:
Sozialgericht Leipzig, S 12 R 819/18, 30.04.2019
Sächsisches Landessozialgericht, L 4 R 411/19, 15.03.2022
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Terminbericht
Die Revision der Klägerin ist teilweise erfolgreich gewesen. Sie war auch in der Zeit vom 1. März 2018 bis 31. Dezember 2018 für ihre Tätigkeit als Referentin beim Sächsischen Rechnungshof im Wege der Erstreckung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit. Das ergibt sich aus dem bestandskräftigen Bescheid der Beklagten aus November 2017, der damit zugleich deren späterer anderslautender Entscheidung und dem Urteil des Landessozialgerichts entgegensteht.
Der Verwaltungsakt hat sich entgegen der Ansicht des Landessozialgerichts nicht durch den ab März 2018 erfolgten Wechsel der Klägerin vom Wirtschafts- in das Steuerreferat und die arbeitsvertraglichen Änderungen gemäß § 39 Absatz 2 SGB X in sonstiger Weise erledigt. Denn diese haben weder die Aufgabe noch eine wesentliche Änderung der befreiten Beschäftigung bewirkt. Die prägenden Charakteristika der Beschäftigung sind gleich geblieben und haben daher den Regelungsgegenstand des ursprünglichen Erstreckungsbescheids tatsächlich nicht entfallen lassen.
Zu Recht hat das Landessozialgericht die von der Klägerin begehrte Verpflichtung der Beklagten abgelehnt, die bis zum 31. Dezember 2018 erteilte Erstreckung der Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Absatz 5 Satz 2 SGB VI auch auf die vom 1. Januar 2019 bis 30. September 2019 fortgesetzte Referententätigkeit zu erstrecken. Der Erstreckungsbescheid aus November 2017 hat sich durch Zeitablauf erledigt und eine erneute Erteilung einer Erstreckung der Befreiung von der Versicherungspflicht scheidet aus, weil die ursprünglich zur Befreiung führende Beschäftigung als angestellte Rechtsanwältin durch Kündigung bereits im Mai 2017 geendet hat. Damit besteht schon kein enger zeitlicher Zusammenhang mehr zu dieser ursprünglich befreiten Tätigkeit, deren Befreiung auf die ab Januar 2019 neu vereinbarte befristete Tätigkeit erstreckt werden kann. Die Erstreckung einer Befreiung von der Versicherungspflicht auf der Grundlage einer bereits erteilten Erstreckung, im Sinne einer Kettenerstreckung, sieht das Gesetz nicht vor.
Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 11/25.