Bundessozialgericht

Verhandlung B 5 R 17/23 R

Gesetzliche Rentenversicherung - Rente wegen voller Erwerbsminderung - Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung - Nachzahlung - mehrere Rentenansprüche - monatsweise Betrachtung

Verhandlungstermin 05.06.2025 13:00 Uhr

Terminvorschau

S. F. ./. Deutsche Rentenversicherung Bund
Die Klägerin begehrt die Nachzahlung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Der beklagte Rentenversicherungsträger bewilligte ihr ab April 2019 zunächst eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und nach weiteren Ermittlungen eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Für April 2019 bis Juli 2021 errechnete die Beklagte für die Rente wegen voller Erwerbsminderung einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 39 081,99 Euro, dessen Auszahlung an die Klägerin sie ablehnte. Von diesem Betrag seien bereits 23 688,88 Euro an die Bundesagentur für Arbeit für das zu Unrecht bezogene Arbeitslosengeld erstattet worden. Der verbleibende Betrag in Höhe von 15 393,11 Euro sei geringer als die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, die die Klägerin im Nachzahlungszeitraum in Höhe von insgesamt 19 541,15 Euro erhalten habe.

Das Sozialgericht hat die dagegen erhobene Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht die Beklagte verurteilt, ihr 5546,32 Euro zu zahlen. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Zwar erhalte die Klägerin damit im streitbefangenen Zeitraum bei einer Gegenüberstellung der Rente wegen voller Erwerbsminderung einerseits und der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und Arbeitslosengeld andererseits insgesamt 9694,36 Euro mehr, als sie bezogen hätte, wenn ihr von Anfang an eine Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt worden wäre. Jedoch könne der durch die Leistungskumulation von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und Arbeitslosengeld entstandene Überhang im Zeitraum von April 2019 bis zum 4. Dezember 2020 nicht auf den folgenden Zeitraum übertragen werden. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 89 Absatz 1 Satz 5 SGB VI. Ein “Zusammentreffen der Renten“ im Sinne dieser Regelung könne sich nur auf denselben zeitgleichen Bezugszeitraum beziehen, was eine monatliche Betrachtung erfordere. Dies bedeute, dass ein rückwirkend zuerkannter Anspruch auf Gewährung einer höheren Rente nur durch eine für denselben Monat gewährte niedrigere Rente als erfüllt gelte. Deshalb könne eine Überzahlung aus einem Monat nicht mit einem Auszahlungsanspruch für einen anderen Monat verrechnet werden.

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 89 Absatz 1 SGB VI. Entgegen der Auffassung des Landessozialgerichts sehe die Vorschrift keine monatsweise Gegenüberstellung der in Rede stehenden Rentenbeträge bei der Abrechnung der Nachzahlung vor. Maßgeblich seien die Gesamtbeträge im gesamten Zeitraum des Zusammentreffens der Renten.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Karlsruhe, S 11 R 3027/21, 17.03.2022
Landessozialgericht Baden-Württemberg, L 11 R 1001/22, 21.11.2023

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 16/25.

Terminbericht

Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Nachzahlung der Rente wegen voller Erwerbsminderung. Nach Erfüllung des Erstattungsanspruchs der Bundesagentur für Arbeit und Abzug der im Nachzahlungszeitraum bezogenen Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung verbleibt kein von der Beklagten an die Klägerin nach § 89 Absatz 1 Satz 6 SGB VI auszukehrender Betrag mehr.

Entgegen der Ansicht des Landessozialgerichts ist bei der Gegenüberstellung einer höheren mit einer niedrigeren Rente aus eigener Versicherung im Nachzahlungszeitraum keine monatsbezogene Saldierung der Beträge vorzunehmen. Vielmehr war die Beklagte berechtigt, die Überzahlung, die während des parallelen Bezugs von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und Arbeitslosengeld entstanden ist, auch mit dem Nachzahlungsanspruch der Klägerin für den Zeitraum nach dem Ende des Bezugs des Arbeitslosengelds zu verrechnen. Denn im Rahmen der Erfüllungsfiktion des § 89 Absatz 1 Satz 5 SGB VI ist bei der Gegenüberstellung der Beträge aus den Ansprüchen der höheren und der niedrigen Rente eine den gesamten Nachzahlungszeitraum umfassende Saldierung vorzunehmen.

Der Wortlaut des § 89 Absatz 1 Satz 5 SGB V bezieht sich auf “den Zeitraum des Zusammentreffens der Rentenansprüche bis zum Beginn der laufenden Zahlung“. Der verwendete Begriff “Zeitraum“ als Umschreibung eines bestimmten Zeitabschnitts bietet keinen Anhalt dafür, diesen bei der Berechnung eines verbleibenden Nachzahlungsanspruchs des Versicherten aus der höheren Rente monatsbezogen einzugrenzen. Für das Abstellen auf den Nachzahlungszeitraum insgesamt spricht insbesondere aber auch der Sinn und Zweck des § 89 Absatz 1 SGB VI. Dieser besteht darin, doppelte Leistungen von Renten aus eigener Versicherung für denselben Zeitraum zu verhindern und Rückabwicklungsverfahren zu vereinfachen. Es soll sichergestellt werden, dass vom Rentenversicherungsträger an den Rentenbezieher nicht mehr nachgezahlt wird, als ihm bei korrekter ursprünglicher Festsetzung materiell rechtlich zugestanden hätte.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 16/25.

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