Verhandlung B 1 KR 8/24 R
Krankenversicherung - Krankenhausvergütung - stationäre Krankenhausbehandlung - Abrechnungsprüfung - Fehlbelegung - Mitteilung der abschließenden Entscheidung - Frist
Verhandlungstermin
12.06.2025 15:15 Uhr
Terminvorschau
E. K. H./C. gGmbH ./. VIACTIV BKK
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.
In dem zugelassenen Krankenhaus der Klägerin wurde vom 16. bis 18. September 2015 ein Versicherter der beklagten Krankenkasse stationär behandelt. Die Klägerin stellte der Beklagten 2067,04 Euro nach Fallpauschale E71C in Rechnung. Die Beklagte beglich die Rechnung und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung mit einer Prüfung zur Frage der primären/sekundären Fehlbelegung. Dieser zeigte der Klägerin die Prüfung an und gelangte in Auswertung der übersandten Unterlagen zum Ergebnis, die stationäre Behandlung des Versicherten sei medizinisch nicht notwendig gewesen. Die Beklagte sandte einen einfachen Brief vom 1. März 2016 an die Klägerin, mit dem sie dieser das Ergebnis der Begutachtung und die Aufrechnung des gesamten Rechnungsbetrages mitteilte.
Die Klägerin hat Klage auf Zahlung von 2067,04 Euro nebst Zinsen sowie 300 Euro Aufwandspauschale erhoben. Die Beklagte hat eine Hilfswiderklage auf Zahlung von 2367,04 Euro nebst Prozesszinsen erhoben. Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch die Beiziehung der Behandlungsunterlagen und die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Es hat der Klage überwiegend und der Hilfswiderklage zum Teil stattgegeben. Es hat die Beklagte zur Zahlung von 2067,04 Euro Vergütung für dem Grund und der Höhe nach unstreitige stationäre Behandlungen verurteilt, die Klage auf Zahlung der Aufwandspauschale abgewiesen und die Klägerin zur Zahlung von 1148,69 Euro verurteilt. Im Übrigen hat es die Widerklage abgewiesen. Ein stationärer Aufenthalt im Erstattungssachverhalt sei nach dem Sachverständigengutachten nur vom 16. bis zum 17. September 2015 notwendig gewesen. Auf die Berufung der Klägerin gegen die Verurteilung zur Zahlung von 1148,69 Euro hat das Landessozialgericht das Urteil des Sozialgerichts geändert und die Hilfswiderklage der Beklagten vollständig abgewiesen. Der Zugang des Schreibens vom 1. März 2016 bei der Klägerin sei nicht feststellbar. Dem Erstattungsanspruch der Beklagten stehe die materielle Präklusionswirkung des § 8 Satz 3 Prüfverfahrensvereinbarung 2014 entgegen. Die Beklagte sei mit der Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs aufgrund von Umständen, die bereits Gegenstand eines Prüfverfahrens gewesen seien, nach Ablauf der neunmonatigen Frist für die Mitteilung ihrer abschließenden Entscheidung ausgeschlossen. Die vom Sozialgericht erhobenen Beweise unterlägen einem Beweisverwertungsverbot.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 2 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 4, § 12 Absatz 1, § 70 Absatz 1 Satz 2 SGB V, § 71 Absatz 1 Satz 1 SGB V, § 76 Absatz 1 SGB IV (sowie § 17c Krankenhausfinanzierungsgesetz in der hier maßgeblichen, am 25. Juli 2014 geltenden Fassung in Verbindung mit § 8 Prüfverfahrensvereinbarung 2014.
Verfahrensgang:
Sozialgericht Gelsenkirchen, S 43 KR 1367/16, 31.03.2022
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, L 5 KR 357/22 KH, 01.02.2024
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Terminbericht
Der Senat hat die Revision der beklagten Krankenkasse zurückgewiesen. Nach den im Gerichtsverfahren nicht ausgeschlossenen Beweismitteln steht nicht fest, dass ihr ein Erstattungsanspruch gegen die Klägerin zusteht. Zwar schließt das Versäumnis der Beklagten, der klagenden Krankenhausträgerin innerhalb der Frist des § 8 Satz 3 Prüfverfahrensvereinbarung 2014 ihre abschließende Entscheidung mitzuteilen, den Erstattungsanspruch nicht aus. Mit dem Ablauf der Frist ist die Beklagte aber unabhängig von einem Verschulden so zu stellen, als habe sie das Prüfverfahren nicht eingeleitet (dazu siehe Urteil vom 22. Juni 2022 - B 1 KR 19/21 R - Randnummer 32 ff.). Daraus folgt ein Beweiserhebungs- und -verwertungsverbot für diejenigen Beweismittel, die Gegenstände des Prüfverfahrens betreffen und die der Beklagten nur durch die Prüfung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zugänglich gemacht werden dürfen. Die Durchsetzbarkeit ihres eventuell bestehenden Erstattungsanspruchs ist deshalb erheblichen Einschränkungen unterworfen. Mangels Zugriffs auf die Unterlagen und Erkenntnisse des Prüfverfahrens verblieb der Beklagten nur die - hier tatsächlich nicht bestehende - Möglichkeit, den Erstattungsanspruch auf ihr in anderer Weise rechtmäßig bekannt gewordene Daten zu stützen. Es hat keine Ermittlungspflicht des Sozialgerichts bestanden, weil es der Beklagten nicht gelungen war, allein mit den außerhalb des Prüfverfahrens zugänglichen Beweismitteln einen Anlass für gerichtliche Ermittlungen aufzuzeigen. Die Beklagte hatte ihren Erstattungsanspruch nur mit dem ausgeschlossenen Gutachten des Medizinischen Dienstes begründet. Die ohne Anlass und damit zu Unrecht angeforderten Behandlungsunterlagen des Krankenhauses unterlagen ebenso wie das darauf gestützte gerichtliche Sachverständigengutachten einem Beweisverwertungsverbot. Die Folgen der Beweisnot trägt hier die Beklagte.
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