Bundessozialgericht

Verhandlung B 1 KR 26/24 R

Krankenversicherung - Krankenhausvergütung - stationäre Krankenhausbehandlung - Kinderonkologie - Qualitätssicherungsanforderungen

Verhandlungstermin 12.06.2025 12:30 Uhr

Terminvorschau

U. M. A.ö.R. ./. AOK Sachsen-Anhalt - Die Gesundheitskasse
Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlungen.

Die beklagte Krankenkasse beglich zunächst die Rechnungen der Klägerin, eines Universitätsklinikums, für weit über 100 Behandlungen der bei ihr versicherten Patienten auf der kinderonkologischen Station im Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis zum 27. März 2017, machte später aber Erstattungsforderungen in Höhe von mehr als 500 000 Euro geltend. Aufgrund einer Prüfung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung sei festgestellt worden, dass bei der Klägerin im Zeitraum der Behandlungen die nach der Richtlinie zur Kinderonkologie nötigen strukturellen Voraussetzungen zur Anzahl der in jeder Schicht vorzuhaltenden Pflegefachkräfte nicht erfüllt gewesen seien. In den benannten Behandlungsfällen bestehe kein Vergütungsanspruch. In der Folgezeit hat die Beklagte hierauf bezogene Erstattungsforderungen mit dem Grund und der Höhe nach unstreitigen Vergütungsansprüchen der Klägerin aufgerechnet.

Das Sozialgericht hat die Beklagte zur Zahlung eines aufgerechneten Betrags von 553 644,06 Euro nebst Zinsen verurteilt und die Sprungrevision zugelassen. Der Beklagten stünden die geltend gemachten Erstattungsansprüche nicht zu. Zwar sei im Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 27. März 2017 die Besetzung des Pflegedienstes der kinderonkologischen Station mit zwei Pflegekräften nicht gewährleistet gewesen. Die Klägerin habe gegen die in der Richtlinie zur Kinderonkologie festgelegten Qualitätssicherungsanforderungen verstoßen. Dieser Verstoß führe jedoch nicht zu einem automatischen Wegfall des Vergütungsanspruchs. Es fehle an einer Regelung dieser Rechtsfolge in der Richtlinie zur Kinderonkologie.

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 2 Absatz 1 Satz 3, § 12 Absatz 1 Satz 1, § 39 SGB V, § 136 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 in Verbindung mit § 4 der Richtlinie zur Kinderonkologie.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Magdeburg, S 25 KR 136/18, 18.06.2024

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 19/25.

Terminbericht

Die Revision der Beklagten hat insoweit Erfolg gehabt, als der Senat das Urteil des Sozialgerichts aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen hat. Das Sozialgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass allein ein Verstoß gegen die Vorgaben einer Qualitätssicherungsrichtlinie ab 1. Januar 2016 den Vergütungsanspruch nicht entfallen lässt. Nach § 137 Absatz 1 SGB V bedarf es der Regelung von Rechtsfolgen der Verstöße gegen Qualitätssicherungsvorgaben durch den Gemeinsamen Bundesausschuss, an der es in der Richtlinie zur Kinderonkologie fehlt. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist befugt, in Qualitätssicherungsrichtlinien Anforderungen an die Struktur- und Prozessqualität der Leistungserbringung festzulegen, die über das allgemeine Qualitätsgebot hinausgehen. In diesem Fall muss er festlegen, ob es sich dabei um Mindestanforderungen im Sinn des § 136 Absatz 1 Nummer 2 SGB V handelt. Nach § 137 Absatz 1 Satz 3 Nummer 2 SGB V ist als Rechtsfolge eines Verstoßes gegen eine vom Gemeinsamen Bundesausschuss festgesetzte Mindestanforderung der Vergütungswegfall zwar zulässig, aber nicht zwingende Rechtsfolge. Insoweit hält der Senat an der bisherigen Rechtsprechung für Behandlungsfälle ab dem 1. Januar 2016 nicht fest. Ob das Krankenhaus der Klägerin im Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis zum 27. März 2017 gegen das allgemeine Qualitätsgebot des § 2 Absatz 1 Satz 3 SGB V verstoßen hat und Vergütungsansprüche schon deshalb nicht entstanden sind, konnte der Senat nicht entscheiden. Hierzu bedarf es weiterer Feststellungen zum allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zur erforderlichen Vorhaltung von Pflegepersonal für die kinderonkologische Behandlung und zur tatsächlichen Personalausstattung in jedem einzelnen Behandlungsfall. Die bloße Nichteinhaltung genereller Strukturvoraussetzungen ohne Bezug zu den notwendigen Vorkehrungen im individuellen Behandlungsfall genügt für einen Verstoß gegen das allgemeine Qualitätsgebot nicht.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 19/25.

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