Verhandlung B 6 KA 4/24 R
Vertragsarztrecht - vertragsärztliche Versorgung - Bedarfsplanung - Sonderbedarfszulassung - schlafmedizinische Leistungen
Verhandlungstermin
18.06.2025 11:30 Uhr
Terminvorschau
1. Dr. Ch. V. 2. B. W. ./. Berufungsausschuss Sachsen-Anhalt für die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit
11 Beigeladene
Die Kläger streiten um die Erteilung einer Sonderbedarfszulassung für schlafmedizinische Leistungen.
Auf Anträge der zwei klagenden Ärzte, die beide über die Zusatzbezeichnung „Schlafmedizin“ verfügen, erteilte der Zulassungsausschuss dem Kläger zu 1. eine Zulassung als Facharzt für Nervenheilkunde und dem Kläger zu 2. eine Zulassung als Facharzt für Innere Medizin und Pneumologie. Die Versorgungssituation sei bezogen auf schlafmedizinische Leistungen unzureichend, da kein Vertragsarzt in den Planungsbereichen die Genehmigung zur Erbringung einer Polysomnografie besitze. Auf die Widersprüche der beigeladenen Ärzte zu 1., 2., 10. und 11. hob der beklagte Berufungsausschuss die Entscheidungen des Zulassungsausschusses auf und lehnte die Anträge der Kläger auf Sonderbedarfszulassung ab.
Die hiergegen gerichtete Klage ist ohne Erfolg geblieben. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, eine auf einzelne Leistungen - wie hier der Schlafmedizin - beschränkte Sonderbedarfszulassung sei nach der Systematik der vertragsärztlichen Bedarfsplanung jedenfalls nicht im Wege des lokalen, sondern allenfalls des qualifikationsbezogenen Sonderbedarfs zu erreichen. Dies setze nach § 37 Absatz 2 Satz 2 Bedarfsplanungs-Richtlinie voraus, dass die Zusatzweiterbildung beziehungsweise Zusatzbezeichnung in zeitlicher und qualitativer Hinsicht der besonderen Qualifikation einer Schwerpunktkompetenz im Sinne der Weiterbildungsordnungen gleichstehe. Zu fordern sei in zeitlicher Hinsicht eine mindestens zweijährige Weiterbildungsdauer. Diese erfülle die Zusatzweiterbildung der Schlafmedizin nicht, für die keine Mindestweiterbildungszeit festgelegt sei. Die von den Klägern beschriebene Versorgungslücke könne durch eine Ermächtigung oder eine Genehmigung nach § 73 Absatz 1a Satz 3 SGB V geschlossen werden. Eine eventuell notwendige Anpassung der Vorschriften zur Bedarfsplanung dürfe nicht durch eine ausufernde Interpretation von § 37 Absatz 2 Satz 2 Bedarfsplanungs-Richtlinie erfolgen, sondern nur durch den Gesetzgeber und den von ihm ermächtigten Gemeinsamen Bundesausschuss.
Die Kläger rügen mit ihrer Sprungrevision die Verletzung materiellen Rechts. Änderungen in der landesrechtlichen Weiterbildungsordnung rechtfertigten ein Gleichstehen der Zusatzweiterbildung Schlafmedizin mit einer Schwerpunktbezeichnung im Sinne von § 37 Absatz 2 Satz 2 Bedarfsplanungs-Richtlinie. Da im maßgeblichen Planungsbereich kein niedergelassener Arzt die Leistung einer kardiorespiratorischen Polysomnografie anbiete, müsse der Versorgungsbedarf über die Sonderbedarfszulassung gedeckt werden.
Verfahrensgang:
Sozialgericht Magdeburg, S 1 KA 65/20, 21.02.2024
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Terminbericht
Die Sprungrevision der Kläger war erfolglos. Die Entscheidung des Berufungsausschusses, die Sonderbedarfszulassungen für schlafmedizinische Leistungen abzulehnen, ist nicht zu beanstanden.
Ein lokaler Sonderbedarf liegt nicht vor. Es besteht kein lokales Versorgungsdefizit in der gesamten Breite des Leistungsspektrums der jeweiligen Facharztgruppe innerhalb eines im Übrigen überversorgten Planungsbereichs. Vielmehr machen die Kläger ein Versorgungsdefizit bezogen auf spezielle Leistungen geltend, die nicht von allen Ärzten der beplanten Arztgruppen angeboten werden.
Die Erteilung einer Sonderbedarfszulassung kommt damit von vornherein nur unter den in der Bedarfsplanungs-Richtlinie geregelten Voraussetzungen eines qualifikationsbezogenen Sonderbedarfs in Betracht. Nach § 37 Absatz 2 Satz 2 Bedarfsplanungs-Richtlinie kann eine Zusatzweiterbildung oder Zusatzbezeichnung - wie hier die „Schlafmedizin“ - einen Sonderbedarf nur begründen, wenn sie einer Schwerpunktweiterbildung vom zeitlichen und qualitativen Umfang her gleichsteht. Hieran fehlt es bereits in zeitlicher Hinsicht.
Die Rechtsprechung des Senats stellt hierfür auf den in den jeweiligen Weiterbildungsordnungen festgelegten zeitlichen Rahmen für den Erwerb einer Schwerpunktweiterbildung ab, der anfangs 36 Monate betrug. Die Musterweiterbildungsordnung 2018 und die vorliegend maßgebliche Weiterbildungsordnung Sachsen-Anhalt haben die Weiterbildungszeit mittlerweile auf 24 Monate reduziert. Die Zusatzweiterbildung Schlafmedizin setzte ursprünglich eine Weiterbildungszeit von 18 Monaten voraus; heute gilt für sie keine Mindestzeit mehr. Dies schließt ein zeitliches Gleichstehen der Zusatzweiterbildung mit einer Schwerpunktweiterbildung und damit die Erteilung einer Sonderbedarfszulassung nach den insoweit eindeutigen Vorgaben des §§ 36, 37 der Bedarfsplanungs-Richtlinie aus.
Die Regelungen in der Bedarfsplanungs-Richtlinie zur Sonderbedarfszulassung verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht. Der vom Gesetzgeber zur Konkretisierung der Maßstäbe ermächtigte Gemeinsame Bundesausschuss hat grundsätzlich einen angemessen Ausgleich zwischen dem Interesse gesetzlich Versicherter an einer bedarfsgerechten Versorgung auch im Bereich spezieller Leistungen und der Sicherung der Bedarfsplanung als wesentlichem Ordnungselement des Vertragsarztrechts gefunden, die bei einer Zergliederung des ärztlichen Leistungsspektrums konterkariert würde. Defizite in der schlafmedizinischen Versorgung können im Einzelfall durch die Erteilung von Ermächtigungen oder eine Regelung nach § 73 Absatz 1a Satz 3 SGB V vermieden werden. Soweit sich dies für die Schlafmedizin nicht als ausreichend erweisen sollte, wäre es Sache des Normgebers, Sonderregelungen speziell für diesen Bereich zu treffen.
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