Verhandlung B 6 KA 5/24 R
Vertragsarztrecht - vertragsärztliche Versorgung - Bedarfsplanung - Anstellungsgenehmigung - Sonderbedarf - strahlenschutzrechtliche Personalvorgaben
Verhandlungstermin
18.06.2025 10:00 Uhr
Terminvorschau
Dr. Ch. W. ./. Berufungsausschuss der Ärzte für den Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg
8 Beigeladene
Zwischen den Beteiligten ist die Erteilung einer Anstellungsgenehmigung im Wege des Sonderbedarfs streitig.
Der Kläger betreibt eine Praxis für Strahlentherapie mit drei vollen Versorgungsaufträgen und anfangs mit einem Linearbeschleuniger. Seit Februar 2017 ist ein zweiter Linearbeschleuniger in Betrieb. Am Praxisstandort des Klägers bietet auch ein Medizinisches Versorgungszentrum Strahlentherapie an. Unter Hinweis auf gestiegene Patientenzahlen sowie die personellen Vorgaben der Richtlinie zur Strahlenschutzverordnung, die für den Betrieb von zwei Linearbeschleunigern mit mehr als 350 Bestrahlungsserien jährlich vier Vollzeitstellen verlange, beantragte der Kläger erfolglos die Genehmigung, eine weitere Fachärztin für Strahlentherapie im Umfang von 32 Wochenstunden im Wege des Sonderbedarfs anzustellen. Der beklagte Berufungsausschuss verwies darauf, dass im Einzugsbereich der Praxis des Klägers die Versorgungslage deutlich besser sei als im Planungsbereich insgesamt. Auch wenn das am gleichen Standort tätige Medizinische Versorgungszentrum bei der Befragung zur Versorgungssituation eine inhaltlich neutrale Stellungnahme abgegeben habe, sei angesichts niedriger Fallzahlen von freien Kapazitäten auszugehen. Strahlenschutzrechtliche Vorgaben könnten einen Sonderbedarf nicht begründen.
Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht hat nach Beiziehung aktueller Zahlen von der beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung zur Begründung ausgeführt, der Beklagte sei zutreffend davon ausgegangen, dass sich ein ungedeckter Versorgungsbedarf nicht feststellen lasse. Insbesondere seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass Patienten vom Medizinischen Versorgungszentrum zurückgewiesen würden. Die Vorgaben der Richtlinie zur Strahlenschutzverordnung zur personellen Ausstattung von Strahlentherapiepraxen führten zu keinem anderen Ergebnis. Eine analoge Anwendung der in der Bedarfsplanungs-Richtlinie normierten speziellen Sonderbedarfstatbestände im Bereich der Dialyseversorgung komme nicht in Betracht.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision und rügt sinngemäß eine Verletzung des § 101 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 SGB V in Verbindung mit §§ 36, 37 Bedarfsplanungs-Richtlinie. Er habe Anspruch auf Erteilung einer strahlentherapeutischen Anstellungsgenehmigung im Wege des Sonderbedarfs, weil er nur so in die Lage versetzt werde, den personellen Vorgaben der Richtlinie zur Strahlenschutzverordnung nicht nur bei privatversicherten Patienten, sondern auch bei der Versorgung gesetzlich Krankenversicherter zu entsprechen.
Verfahrensgang:
Sozialgericht Freiburg, S 1 KA 1922/19, 27.07.2022
Landessozialgericht Baden-Württemberg, L 5 KA 2346/22, 15.05.2024
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Terminbericht
Die Revision des Klägers war erfolglos. Zu Recht hat der beklagte Berufungsausschuss es abgelehnt, dem Kläger im Wege des Sonderbedarfs eine weitere Anstellungsgenehmigung für eine Fachärztin für Strahlentherapie zu erteilen.
Zutreffend ist der Beklagte davon ausgegangen, dass keine Defizite bei der Versorgung im Einzugsbereich der klägerischen Praxis bestehen und es daher an einem - hier allein in Betracht kommenden - lokalen Sonderbedarf fehlt. Dieser ist darauf ausgerichtet, in Bereichen überversorgter Planungsbereiche im Falle lokaler Unterversorgung weitere Zulassungen oder Anstellungsgenehmigungen zu ermöglichen. Zu Recht ist der Beklagte daher zunächst vom lokalen Versorgungsgrad ausgegangen, der in der Region zum Zeitpunkt der Entscheidung durch den Beklagten bei 200 % und damit deutlich über dem Versorgungsgrad des gesamten Planungsbereichs in Höhe von 133 % lag. Vor diesem Hintergrund ist auch der Umfang der von den Zulassungsgremien durchgeführten Ermittlungen, die keine Hinweise auf relevante Wartezeiten bei den im Planungsbereich niedergelassenen Strahlentherapeuten ergaben, nicht zu beanstanden. Insbesondere musste es sich dem Beklagten nicht aufdrängen, weitere Ermittlungen im Hinblick auf freie Kapazitäten des am gleichen Ort wie der Kläger tätigen Medizinischen Versorgungszentrums durchzuführen.
Soweit der Kläger geltend macht, dass sich mehr gesetzlich Versicherte für die Behandlung in seiner Praxis entscheiden würden, als dort behandelt werden können, kommt es darauf nicht an, solange die Behandlung in einer anderen Praxis am Ort durchgeführt werden kann. Ob der Kläger auch den zweiten Linearbeschleuniger mit den ihm derzeit zur Verfügung stehenden Versorgungsaufträgen sowie unter Berücksichtigung der Personalvorgaben aus der Richtlinie zur Strahlenschutz-verordnung in dem gewünschten Umfang betreiben kann, ist insofern ohne Belang. Ein wesentliches Ziel der Bedarfsplanung ist die Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung. Damit wäre es nicht vereinbar, wenn Ärzte durch die Beschaffung medizinischer Geräte und unter Hinweis auf das für deren Betrieb erforderliche Personal einen Anspruch auf Erteilung von Zulassungen oder Anstellungsgenehmigungen herleiten könnten.
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