Verhandlung B 1 KR 18/24 R
Krankenversicherung - Krankenhausvergütung - stationäre Krankenhausbehandlung - Abrechnungsprüfung - Nachkodierung - Hauptdiagnose - Nebendiagnose
Verhandlungstermin
16.07.2025 10:30 Uhr
Terminvorschau
S GmbH ./. VIACTIV BKK
Das Krankenhaus der Klägerin behandelte einen Versicherten der beklagten Krankenkasse vollstationär vom 12. bis 26. April 2018 und berechnete hierfür 4705,13 Euro nach Maßgabe der Fallpauschale F69A. Es kodierte - unter Verwendung von ICD-10-GM - als Hauptdiagnose I35.0 (Aortenklappenstenose) und als Nebendiagnosen unter anderem I50.01 (sekundäre Rechtsherzinsuffizienz) und I21.4 (akuter subendokardialer Myokardinfarkt). Die Beklagte beglich die Rechnung und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung mit der Überprüfung der Hauptdiagnose. Dieser kam zum Ergebnis, die Hauptdiagnose sei in I50.01 zu ändern. I35.0 sei mangels Ressourcenaufwandes weder Haupt- noch Nebendiagnose. Daraus ergebe sich die geringer vergütete Fallpauschale F49E. In der Folge verrechnete die Beklagte einen Erstattungsbetrag in Höhe von 1051,75 Euro mit anderen unstreitigen Forderungen der Klägerin.
Nach dem Ergebnis des vom Sozialgericht eingeholten Sachverständigengutachtens waren als Hauptdiagnose I21.4 und als Nebendiagnosen und I35.0 und I50.0 zu kodieren. Daraus folgt die Fallpauschale F41B. Daraufhin hat die Klägerin die Klage in Höhe von 150,44 Euro teilweise zurückgenommen. Das Sozialgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 901,31 Euro verurteilt. Das Landessozialgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Klägerin sei nicht durch § 7 Absatz 5 Prüfverfahrensvereinbarung 2016 an der Nachkodierung der Hauptdiagnose I21.4 gehindert gewesen. Zwar sei der zeitliche und sachliche Anwendungsbereich der Norm eröffnet gewesen. Ihr Zweck gebiete vorliegend aber eine teleologische Reduktion des zu weit gefassten Wortlauts. Die materielle Präklusion gelte nicht, wenn nach Abschluss einer auf die Hauptdiagnose gerichteten Prüfung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung eine Ersetzung der zunächst übermittelten Hauptdiagnose durch die vom gerichtlichen Sachverständigen genannte, im Ursprungsdatensatz als Nebendiagnose übermittelte Diagnose erfolge. Selbst wenn man auch die Änderung der Hauptdiagnose den Fristen des § 7 Absatz 5 Prüfverfahrensvereinbarung 2016 unterwerfen wollte, wäre die Beklagte nach § 242 Bürgerliches Gesetzbuch an der Beschränkung der Vergütung auf den vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung als zutreffend erkannten Betrag gehindert.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 7 Absatz 5 Prüfverfahrensvereinbarung 2016. Gerade die Änderung der Hauptdiagnose stehe dem Ziel der Beschleunigung und Konzentration des Prüfverfahrens entgegen. Dass die im Streit stehende Diagnose als Nebendiagnose bereits im Datensatz der Schlussrechnung enthalten gewesen sei, ändere hieran nichts. Das Krankenhaus verfüge für die Erteilung einer ordnungsgemäßen Abrechnung - anders als die Krankenkasse - umfassend über alle den Behandlungsfall betreffenden Informationen. Es sei auch nicht dem Risiko ausgesetzt, den Vergütungsanspruch vollständig zu verlieren. Sie, die Beklagte, sei auch nicht nach Treu und Glauben gehindert, die Klägerin auf den vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung als zutreffend erkannten Betrag zu beschränken.
Verfahrensgang:
Sozialgericht Duisburg - S 46 KR 713/20, 22.03.2022
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 16 KR 304/22 KH, 25.01.2024
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Terminbericht
Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg gehabt. Zu Recht hat das Landessozialgericht entschieden, dass die Klägerin nicht durch § 7 Absatz 5 Prüfverfahrensvereinbarung 2016 gehindert war, ihre Abrechnung unter Nachkodierung der Hauptdiagnose I21.4 zu korrigieren. Die Vorschrift ist zwar ihrem Wortlaut nach einschlägig. Die Klägerin hat nach Ablauf der dort geregelten Frist und nach Vorliegen des Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung den von der Prüfung betroffenen Datensatz der Diagnosen korrigiert. Insoweit wird auf die Begründung zum Verfahren B 1 KR 30/24 R verwiesen.
§ 7 Absatz 5 Prüfverfahrensvereinbarung 2016 ist aber teleologisch zu reduzieren, wenn die Krankenkasse die vom Krankenhaus kodierte Hauptdiagnose beanstandet und diese in der Folge streitig bleibt. Die gerichtliche Prüfung des streitigen Vergütungsanspruchs ist in diesem Fall nicht auf die vom Krankenhaus kodierte Hauptdiagnose beschränkt. Der Anspruch des Krankenhauses kann dabei aber nicht über den Rechnungsbetrag hinausgehen, der sich aus der ursprünglich erfolgten Kodierung oder in zulässiger Weise nach § 7 Absatz 5 Prüfverfahrensvereinbarung 2016 bis zum Abschluss des Prüfverfahrens oder in Übernahme des Prüfergebnisses des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung erfolgten Nachkodierung ergibt.
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